Nightside 10 - Für eine Handvoll Pfund: Geschichten aus der Nightside Band 10 (German Edition)
war, dass niemand wirklich erfreut war, Walker zu sehen. Einige von ihnen verbargen das gut, so gut, dass vielleicht nur ein trainiertes und erfahrenes Auge wie das meine die Falschheit bemerkt hätte, aber ich wusste es, und ich war ziemlich sicher, dass Walker es auch wusste. Ich fragte mich, ob Walker überhaupt noch Freunde hatte oder ob er das nur als Schwäche ansah, die andere ausnutzen würden. Er hielt seine Frau und seinen Sohn in einem völlig abgeschiedenen Leben von der Nightside fern.
Ich wusste aber, dass er Freunde gehabt hatte. Gute Freunde. Sie waren zu dritt gewesen, hatten einander so nahegestanden wie Brüder und wie Pech und Schwefel zusammengehalten, drei junge Männer, die dazu bestimmt gewesen waren, in die Welt hinauszugehen und sie zu einer besseren zu machen. Henry, der Walker wurde, Mark, der der Sammler wurde und Charles, mein Vater.
Ich sagte das Walker, aber er zuckte nur die Achseln.
„Ich habe keine Zeit für meine Familie, geschweige denn Freunde. Das Amt ist alles: mein Leben, meine Frau, meine Herrin … es ist sehr fordernd. Mit Pflicht und Verantwortung ist es wie bei „Der alte Mann und das Meer“. Wenn man sie erst mal hat, kann man sie nicht wieder ablegen. Nie. Man trägt ihre Last, bis man ins Gras beißt, und das Beste, das man hoffen kann, ist, dass jemand sie von einem nehmen wird. Ich dachte, ich wüsste, was ich auf mich nehme, als ich anfing, aber ich wusste es nicht. Man kann es nicht wissen, man kann nicht begreifen, wie groß der Job ist, bis man sein gesamtes Gewicht auf den Schultern trägt. Denken Sie, das ist das Leben, das ich wollte, John? Das Leben, das ich für mich gewählt hätte? Ich führe die Nightside nicht, sie führt mich.“
„Damit bringen Sie mich nicht gerade dazu, das Amt zu übernehmen“, sagte ich. „Was ist mit Hadleigh? Er hatte die Leitung vor Ihnen inne. Wie ist er damit fertiggeworden?“
„Gar nicht“, sagte Walker. „Er gab alles auf und brannte zur Dunklen Akademie durch, und jetzt ist er der Geisterdetektiv. Was zur Hölle auch immer das ist. Niemand kann von diesem Amt zurücktreten, John. Wir werden verrückt oder werden ermordet oder sterben. Aber … es ist das einzige Amt, das es wert ist, es innezuhaben. Es gibt nichts Vergleichbares.“
Wir gingen nun durch die Oberstadt, wo die Besten und Schlechtesten hinkamen, um gut zu essen, zu sehen und gesehen zu werden. Walker ging sicher zwischen den Berühmtheiten und großen Nummern durch, grüßte sie alle mit Namen und wies sie in ihre Schranken, wenn sie zu vertraut wurden. Alles, was er tun musste, war, seine Wünsche zu flüstern, und die Leute sprangen, um zu gehorchen. Ich bekam das mit meinem hart errungenen Ruf nie hin.
„Sehen Sie, John?“, fragte Walker schließlich. „Meine Aufgabe ist es nicht, die Schuldigen zu bestrafen oder die Bösen niederzustrecken. Nicht einmal, das Gute zu retten und zu bewahren. Es geht darum, den Status quo zu erhalten. Mit all den Spannungen umzugehen, wenn sie entstehen, das eine Lager gegen das andere auszuspielen, dieses Individuum zu ermutigen oder jenes zu bremsen. Ich halte den Deckel auf allem, erhalte eine stabile Balance, damit sich die Räder des Geschäfts reibungslos drehen und jeder, der hierher kommt, alles bekommt, was er will. Die Nightside existiert, um die dunklen Elemente dieser Welt zu versorgen und zu kontrollieren; es liegt in meiner Verantwortung zu verhindern, dass etwas davon in die ahnungslose Alltagswelt überschwappt.
Wenn ich könnte, würde ich dieses ganze kranke Kuriositätenkabinett auslöschen, und fertig. Aber da die Machthaber mich nicht lassen, wandere ich durch die Nacht und gebe mein Bestes, um die Freaks in ihren Käfigen zu halten.“
Ich hielt an, und Walker kam auch zum Stehen. Ich sah ihn mit meinem unnachgiebigsten Blick an.
„Genug. Genug, Walker. Ich muss nichts weiter hören, und ich habe alles gesehen, was ich sehen musste.“
Er grinste kurz. „Sie haben noch gar nichts gesehen. Die Nightside ist größer, als Sie wissen, größer, als Sie sich je träumen ließen, und genauso sind es meine Pflichten und Verantwortungen. Ich kann das nicht einfach irgendwem übergeben.“
„Wie oft muss ich es denn noch sagen, Walker? Ich will Ihr Amt nicht! Ich will es nicht, brauche es nicht, und ich wäre nicht gut darin, wenn ich es hätte. Lass en Sie die neuen Autoritäten Ihren Nachfolger auswählen.“
„Sie trauen ihnen zu, das zu tun?“
„Mehr als Ihnen“, stellte ich
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