Nightside 10 - Für eine Handvoll Pfund: Geschichten aus der Nightside Band 10 (German Edition)
hatte – die, die ich herbeiführen sollte und doch so angestrengt zu verhindern versucht hatte. Ich erinnerte mich an die widerlichen Dinge, die der Sammler dort getan hatte, und an die schlimmen Dinge, die geschehen zu lassen, er bereit gewesen war. Ich erinnerte mich, wie er vor langer Zeit meine Mutter für meinen Vater gefunden und sie zusammengebracht hatte und an all die entsetzlichen Dinge, die daraus entstanden waren. Inklusive mir. Aber ich war noch immer nicht bereit, ihn tot zu sehen. Wenn auch nur, weil er Onkel Mark gewesen war, als ich noch ein Kind war.
Ich benutzte meine Gabe, um das gegenwärtige Versteck des Sammlers herauszufinden. Er war immer in Bewegung, versteckte seine große Sammlung an immer finstereren Orten fernab seiner Feinde, Konkurrenten und von Leuten wie mir. Mein inneres Auge schnappte auf, als sich meine Gabe manifestierte, und ich schoss aus meinem Kopf heraus, wobei meine Sicht immer höher in die Nacht hinaufstieg, schwerelos in den mit Sternen bedeckten Himmel segelte und auf die unförmigen, sich windenden Straßen der Nightside hinunterblickte.
So viel Licht für so einen dunklen Ort.
Straßenlaternen, Neonschilder und all die leuchtenden, bunten Köder einer Stadt, wo die Sünde allgegenwärtig war. Wissenschaftliches und magisches Leuchten, das brutzelte, flackerte und in der Nacht explodierte, als tausend verbotene Experimente ihren unvermeidbaren Lauf nahmen. Die grellen Streifen und Schlieren der Lichter von Autos und LKWs und anderer Dinge, als sie auf den endlosen Straßen der Nightside entlangröhrten, niemals langsamer wurden, niemals anhielten. Neonlicht, das herausfordernd von den Clubs, Bars und Zauberläden schimmerte und Männern und Frauen mit einsamen Herzen und übervollen Brieftaschen zuwinkte. Es ließ tausend vergiftete Blumen blühen, während es die Dunkelheit mit seinem brutalen Zauber zurückdrängte.
Ich sandte meine Sicht zu einem Flug über die Nightside aus, und sie erstreckte sich langsam unter mir, eine Stadt innerhalb einer Stadt, eine Welt in einer Welt. Meine Sicht zeigte mir die Welt, wie sie wirklich war, nicht, wie wir sie gerne gehabt hätten. Riesig und durchscheinend gingen die Schrecklichenihren unbegreiflichen Geschäften nach, wobei ihre gekrönten Häupter am Himmel kratzten, und sie schritten durch Gebäude hindurch, als seien diese gar nicht da. Lange, geschmeidige Schatten mit Fledermausflügeln, denen Flammen aus tiefliegenden Augen und offenen Mündern voller Zähne schossen, schwebten durch die frostige Höhenluft und Feen mit winzigen Flügeln streiften in schimmernden Herden durch die Nacht und ließen glitzernde Spuren schierer Ausgelassenheit hinter sich zurück.
Aber egal, wo ich hinging oder wo ich nachsah, ich konnte weder den Sammler noch seinen Schlupfwinkel sehen. Ich sah im eiskalten Glühen des gewaltigen, überdimensionalen Mondes, der den Himmel der Nightside beherrschte, nach. Der Sammler hatte dort einst eine Geschäftsstelle gehabt, die tief unter dem See der Gelassenheit versteckt gewesen war, aber er war nicht dorthin zurückgekommen. Es war schwierig, den Mond in der Nightside zu betrachten. Es gab keinen Mann im Mond in dieser bleichen, kraterübersäten Sphäre. Er war so groß, so überwältigend … das gesamte Ding schien ein großes, greises Gesicht zu sein, und falls dieses Gesicht jemals etwas gewusst haben sollte, das zu wissen sich lohnte, dann hatte es das vor langer Zeit vergessen.
Mir kam ein Gedanke. Da die Sonne in der Nightside noch nie geschienen hatte – und das auch nie tun würde –, welches Licht reflektierte dann unser überdimensionaler und ewig voller Mond? Ein verstörender Gedanke … für einen anderen Tag.
Ich sah auf die Nightside hinab, die sich wie die koketteste Hure der Welt unter mir räkelte. Die alles Mögliche verhieß, während ihr breites Lächeln und die verlockenden Blicke die kalte Berechnung in ihrem Herz versteckten. Der Sammler gehörte an einen Ort wie diesen, wo wir alle den Preis für alles und den Wert von nichts k annten. Der Sammler hätte reicher sein können als irgendjemand sonst, wenn er auch nur den kleinsten Teil seiner prachtvollen Sammlung verkauft hätte. Er hätte das Wegrennen und das Verstecken aufgeben und sich komfortabel niederlassen können. Aber er würde seine Sammlung nie aufgeben. Sie war alles, was er hatte.
Je mehr ich nach unten sah, desto mehr spürte ich die Präsenz des Sammlers, obwohl ich ihn nicht sehen konnte. Er war
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