Nightside 9 - Wieder einmal Weltenbrand
der Hoffnung, dass sich ihr Zustand bessert, um sie, aber die Ärzte … sind alles andere als zuversichtlich.“
„Weniger als die Hälfte?“, stieß ich hervor. „Ich habe nicht all das durchgemacht, um weniger als die Hälfte zu retten!“
„Sie haben so viele gerettet, wie Sie konnten“, sagte Walker. „Das war immer meine Aufgabe – so viele Menschen wie möglich zu retten.“
„Selbst wenn das bedeutet, auf dem Weg zum Ziel einige eigene Leute zu opfern?“, fragte ich.
„Exakt“, sagte Walker.
„Warum sollten Sie entscheiden dürfen, wer leben darf und wer stirbt?“ fragte Suzie.
„Das tue ich nicht“, antwortete Walker. „Das liegt bei den Autoritäten.“
„Aber die sind tot“, sagte ich. „Wir waren dabei, als sie von Liliths monströsen Kindern getötet und gefressen wurden. Also … wer genau … zieht heute an Ihren Fäden?“
„Die neuen Autoritäten“, sagte Walker und lächelte nett. „Deshalb bin ich hier. Sie müssen mich begleiten, um die neuen Autoritäten zu treffen.“
Ich musterte ihn zerstreut. „Sie wissen genau, dass ich noch nie mit Autoritätspersonen zurechtgekommen bin.“
„Diese Leute sind anders“, versicherte Walker.
„Weshalb gerade jetzt?“, fragte ich.
„Weil der Wanderer in die Nightside gekommen ist“, antwortete Walker.
Ich setzte mich pfeilgerade auf, und Suzie stieß sich von der Wand ab. Walkers Stimme war kühl und gefasst wie immer, aber manche Feststellungen besitzen von sich aus eine gewisse Macht. Ich hätte schwören können, dass es im Raum plötzlich kälter geworden war.
„Woher wissen Sie, dass er es wirklich ist, und kein Möchtegern?“ fragte Suzie.
„Weil es meine Aufgabe ist, solche Sachen zu wissen“, sagte Walker. „Der Wanderer, der Zorn Gottes in der Welt der Menschen, der mächtigste und unheimlichste Kämpfer für das Gute, den es jemals gab, ist nun endlich in die Nightside gekommen, um die Schuldigen zu richten, und jeder hier rennt entweder in den Sonnenuntergang, verbarrikadiert und bewaffnet sich, so gut es geht, oder versteckt sich unter dem Bett und macht sich in die Hosen, und alle hier blicken voll Hoffnung zu den neuen Autoritäten auf, dass die doch bitte schön etwas tun sollen.“
Suzie tigerte, die Stirn in tiefe Falten gelegt und die Daumen in den Bund ihrer Jeans gehakt, im Raum auf und ab. Vielleicht machte sie sich Sorgen, vielleicht freute sie sich auch auf die Herausforderung. Sie hatte keine Angst. Suzie bekam niemals Angst und war auch nie eingeschüchtert. Das passierte nur anderen Menschen, und meist war Suzie daran schuld. Sie setzte sich plötzlich neben mich auf ein Eck der Couch. Auch wenn sie mir ganz nah war, berührte sie mich nicht. Ich sah, wie Walker das bemerkte, und er nickte langsam.
„So nah auf alle möglichen Arten, nur auf eine nicht“, meinte er.
Ich bedachte ihn mit meinem besten kalten Blick, doch das musste man ihm lassen, er zuckte nicht einmal mit einer Wimper. „Gibt es eigentlich etwas, wovon Sie keine Ahnung haben?“ fragte ich.
Er schmunzelte kurz. „Sie wären überrascht.“
„Es geht Sie aber nichts an“, sagte Suzie, „ und wenn Sie irgendjemandem davon erzählen, bringe ich Sie um.“
„Sie würden staunen, wenn Sie wüssten, wie viele Leute es inzwischen wissen oder zumindest erahnen“, entgegnete Walker. „Es ist schwierig, Geheimnisse in der Nightside für sich zu behalten. Ich … mache mir einfach nur Sorgen.“
„Inwiefern?“, fragte ich geradeheraus. „Was bedeuten wir Ihnen? Ich war in Ihren Augen stets nur eine Bedrohung für Ihren geheiligten Status quo oder ein entbehrlicher Agent auf einer Ihrer Missionen, die zu gefährlich und zu schmutzig für Ihre eigenen Leute war – und nun plötzlich machen Sie sich Sorgen um mich? Warum, in Gottes Namen?“
„Weil du mein Sohn bist“, sagte Walker. „In jeder Hinsicht, die von Bedeutung ist.“
Er hätte mich nicht mehr überraschen können, wenn er einen Revolver gezogen und mich erschossen hätte. Suzie und ich sahen einander ausdruckslos an, dann wieder Walker, aber ihm schien die Angelegenheit todernst zu sein. Er lächelte kurz und hielt seine Würde wie einen Schild vor sich.
„Wir haben uns noch nie wirklich unterhalten, nicht?“, fragte er. „Wir haben immer nur en passant ein paar Drohungen und Beleidigungen ausgetauscht … oder die Details eines Falles besprochen, bei dem wir zusammenarbeiten mussten. Alles strikt geschäftlich. Man kann es sich nicht
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