Nightside 9 - Wieder einmal Weltenbrand
Chandra zuerst einsteigen konnte, nur um sicherzugehen. Ich wartete, bis er sich gemütlich hingesetzt hatte, und erst dann stieg auch ich ein. Man kann nie zu vorsichtig sein.
Ein Schild im Inneren des Taxis verkündete „Bitte nicht rauchen, sonst reißt Ihnen der Fahrer höchstpersönlich die Lunge heraus.“ Gut. Ich hatte mich kaum auf dem gepolsterten Ledersitz neben Chandra niedergelassen, als der Fahrer aufs Gas stieg und sich mit Gewalt und brutaler Ellbogentaktik einen Weg zurück in den langsam fließenden Verkehr bahnte. Er rammte einige langsamer fahrende Autos aus dem Weg, und schwere, vollautomatische Waffensysteme fuhren aus dem Kofferraum, um Fahrzeuge zu bedrohen, die nicht schnell genug unterwegs waren oder sich zu nahe an das Taxi heranwagten. Auch gut. Ein aggressiver Fahrstil ist in der Nightside die Norm, wenn man das Ziel seiner Fahrt lebendig oder in einem Stück erreichen will. Ich entspannte mich und fühlte mich in sicheren Händen.
Der Fahrer war recht menschlich, zumindest von der Körpermitte aufwärts. Von der Körpermitte abwärts war sein Torso direkt mit dem Fahrersitz verschmolzen. Kabel, Drähte und Bündel durchsichtiger Schläuche voller pulsierender Flüssigkeiten verbanden ihn körperlich wie geistig mit dem Taxi. Im Grunde war er ein Cyborg, und das Taxi war nur die Erweiterung seines amputierten Körpers. Er fuhr das Auto mit seinen Gedanken, hatte aber dennoch die Hände auf dem Steuerrad, um seine Fahrgäste nicht zu verunsichern. Er hatte einen Bonsai als Duftbaum auf dem Armaturenbrett.
Chandra reichte ein Blick auf den Fahrer, um die Fassung zu verlieren.
„Wer hat Ihnen das angetan, Sir?“, fragte er laut. „Geben Sie uns den Namen des Schuldigen und ich verspreche, ich werde ihn finden und strengstens bestrafen!“
„Würden Sie sich bitte beruhigen?“, bat ich. „Er hat dafür bezahlt. Man kann ganz schön Geld machen, wenn man in der Nightside Taxi fährt. Wenn man lange genug lebt. Hier Taxifahrer zu sein ist eine Berufung, wie Bergsteigen oder Amoklaufen. Lassen Sie ihn zufrieden, Chandra, er ist ziemlich glücklich.“
„Ganz recht, Meister“, sagte der Taxifahrer, ohne sich umzudrehen. Seine Haut war blass und schwammig wie ein Pilz, aber seine Stimme war überraschend rüstig und herzlich. „Wissen Sie, ich hatte diesen Walker erst vor ein paar Tagen bei mir drin. Ein feiner Pinkel. Lausiges Trinkgeld. Wohin soll’s gehen, Meister?“
„Ich muss mit der abtrünnigen Vikarin sprechen“, sagte ich. „Bringen Sie uns zum Pfarrhaus.“
Der Fahrer sog scharf die Luft zwischen den gelben Zähnen ein. „Nein, ich denke nicht, Meister. So weit ins Ödland fahre ich nicht raus. Viel zu riskant.“
Ich beugte mich nach vorn, so dass er mich im Rückspiegel gut erkennen konnte. „Ich bin John Taylor. Wie gefährlich, glauben Sie, kann es werden, wenn Sie nicht tun, was ich verlange?“
„Ach du heilige Kacke“, fluchte der Fahrer.
Er schniefte laut, stampfte seinen geistigen Fuß aufs Gaspedal und schmollte den Rest des Weges schweigend. Was mir ganz recht war. Er hätte ohnehin nur über Politik schwatzen wollen, und darüber, dass es heutzutage viel zu viele Elfen in der Nightside gab. Chandra hing offensichtlich eigenen Gedanken nach, also starrte ich aus dem Fenster und sah dem Verkehr zu. Es war die übliche Mischung von Gefährten – aus der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft –, die auf ihrem Weg zu einem interessanteren Ort durch die Nightside donnerten. Ambulanzen, die mit destilliertem Leid fuhren. Sattelschlepper mit unbekannten Logos auf der Seite, die Güter transportierten, die selbst für die Nightside zu bizarr und gefährlich waren. Dämonische und eine ganze Reihe von Dingen, die aus dem einen oder anderen Grund so taten, als wären sie Fahrzeuge.
Zumindest waren hier nie irgendwelche Straßen gesperrt, um den Verkehr zu verlangsamen. Vor allem, weil die Straßen noch um einiges bösartiger waren als der Verkehr und zurückbissen, wenn man sie ärgerte. Tatsächlich gab es sogar ganze Fahrbahnabschnitte, die langsamere Autos einfach fraßen, um alle anderen zu motivieren, sich doch ein wenig zu beeilen. Das ganze Straßennetz in der Nightside ist im Grunde ein großer Darwinscher Überlebenskampf, wo nur die Stärksten das Ziel ihrer Reise erreichen. Zur Hölle, manchmal konnte man sogar zusehen, wie sich Fahrzeuge vor den eigenen Augen einfach weiterentwickelten. Manche waren ihrer Zeit so weit voraus, dass es
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