Nikotin
Portwein, reinen Portwein. Und was die Speisen a n belangt, so aß der Gastgeber genau das Gleiche wie die Eingeladenen. Suppe, gebackene Seezunge, Fasan, Hal b gefrorenes, alles zubereitet von der Köchin, die seit fün f zehn Jahren im Haus ist. Nein, es erscheint unmöglich, dass ihm das Gift durch Speise oder Trank eingegeben wurde; des ungeachtet befand es sich im Magen. Wirklich, ein Problem…«
Sir Charles griff aufgeregt nach Satterthwaites Arm.
»Mein Lieber, es ist dasselbe«, stieß er hervor. »Genau dasselbe wie damals… Verzeihung, Colonel, ich bin I h nen eine Erklärung schuldig. In meinem Haus in Cor n wall ereignete sich ein Todesfall…«
Colonel Johnson blickte interessiert auf. »Ich habe schon davon gehört. Von einer jungen Dame – Miss Ly t ton Gore.«
»Ja, sie war anwesend. Und sie sprach mit Ihnen da r über?«
»Sehr ausführlich. Sie war besessen von ihrer Theorie, die mir nicht einleuchtet, weil sie keine Erklärung für die Flucht des Butlers liefert. Ihr Butler verschwand doch hinterher nicht etwa auch?«
»Ich hatte keinen Butler. Nur ein Hausmädchen.«
»Kann es ein verkleideter Mann gewesen sein?«
Beim Gedanken an die adrette, zierliche, offensichtlich weibliche Helen Temple lächelte Sir Charles, sodass Johnson sich eiligst entschuldigte.
»Es war nur ein plötzlicher Einfall«, sagte er. »Nein, Miss Lytton Gores Theorie erscheint mir unglaubhaft. Der Tote damals war ein betagter Geistlicher, nicht wahr? Nun, wer sollte wohl ein Interesse daran haben, einem einfachen Seelsorger das Leben zu verkürzen?«
»Das ist ja das Verwirrende!«, klagte Sir Charles.
»Glauben Sie es mir – die beiden Todesfälle stehen in keinem Zusammenhang. Der Butler, ja, das ist unser Mann. Vermutlich ist er ein berufsmäßiger Verbrecher, der leider keine Fingerabdrücke hinterließ. Sowohl sein Schlafzimmer als auch den Anrichteraum, wo er seinen hauptsächlichsten Dienst versah, hat ein Sachverständiger für Fingerabdrücke erfolglos untersucht.«
»Und was soll ihn zu dem Mord bewogen haben?«
Colonel Johnson fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
»Vielleicht… vielleicht beabsichtigte er anfänglich nur einen Diebstahl, den Sir Bartholomew vereitelt haben mag.« Sir Charles und Satterthwaite wahrten ein höfliches Schweigen. Aber auch Johnson selbst schien seine Erkl ä rung nicht zu befriedigen.
»Was nützen alle Mutmaßungen!«, meinte er. »Sobald wir John Ellis erwischt und herausgefunden haben, wer er ist und ob er schon früher mal mit dem Gesetz in Ko n flikt geriet, liegt der Beweggrund vielleicht klar vor uns e ren Augen.«
»Sind die Papiere meines toten Freundes durchgesehen worden?«
»Sofort, Sir Charles. Ich werde Sie nachher mit Inspe k tor Crossfield bekannt machen, der den Fall bearbeitet. Einer meiner tüchtigsten und zuverlässigsten Leute. Uns beiden kam gleich der Gedanke, dass Sir Bartholomews Beruf mit dem Verbrechen zu tun haben könnte. Ein Arzt kennt schließlich viele berufliche Geheimnisse. D a her wurden sämtliche Papiere genau gesichtet und geor d net – die Sekretärin, Miss Lyndon, besorgte es zusammen mit Crossfield.«
»Und man fand nichts, das man als Hinweis bezeichnen könnte?«
»Nichts, Sir Charles.«
»Fehlt etwas im Haus? Silber, Schmucksachen oder de r gleichen?«
»Abermals muss ich Ihnen antworten: nichts!«
»Wer sind denn die Personen, die an dem fraglichen Tag im Hause meines Freundes weilten?«
»Ich habe eine Liste von ihnen. Halt, wo steckt sie denn? Ah, Crossfield wird sie bei sich haben. Er muss sich übrigens jede Minute zum Rapport einfinden.«
Es währte allerdings noch drei Minuten, ehe der Erwa r tete über die Schwelle trat – ein großer, breitschultriger Mann, blauäugig und im Allgemeinen ziemlich wortkarg.
Er begrüßte seinen Vorgesetzten und wurde hierauf den beiden Besuchern vorgestellt.
Wäre Mr Satterthwaite allein gewesen, so würde es ihm schwergefallen sein, Crossfields frostige Zurückhaltung zu bezwingen. Der Inspektor hielt nicht viel von Herren aus London – Laien, die mit irgendwelchen Ideen herk a men. Doch über Charles Cartwright hegte er eine andere Meinung. Kein Backfisch konnte glühender für die Bü h ne und alles, was mit ihr zusammenhing, schwärmen als Inspektor Crossfield. Zweimal hatte er Sir Charles spielen sehen, und das Glück, diesem Star der Bühne jetzt ganz nahe gegenüberzustehen, machte ihn weich und nachgi e big.
»Ich sah Sie in London, Sir«, sagte er strahlend.
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