Nimm dich in acht
mitzunehmen.
Er ging nach unten, goß sich einen Scotch ein, und während er trank und das Eis in dem Glas schwenkte, stellte er fest, daß er nervös war. Ihm machte zu schaffen, wie kühl Susan gestern am Telefon mit ihm gesprochen hatte, als sie seine Einladung ausschlug, mit ihm und Dee etwas trinken zu gehen.
Wie würde es morgen abend in der Bibliothek sein, wenn Dee an seiner einen und Susan an seiner anderen Seite saß? fragte er sich. Es könnte unangenehm werden.
Dann lächelte er. Ich habe eine Idee, dachte er. Ich werde Binky und Charles auch einladen. Es gibt vier Tische zu je zehn Gästen. Ich setze Dee mit Binky und Charles an einen anderen Tisch, entschied er. Damit sollte Susan eigentlich alles klar sein. »Und Dee auch«, sagte er laut.
84
Die Namen der Straßen, die sie abgeklappert hatte, gingen ihr durch den Kopf wie eine Litanei: Christopher, Grove, Barrow, Commerce, Morton. Anders als der streng geometrische Plan, nach dem die Straßen in Uptown Manhattan angelegt waren, folgten die Straßen des Village ihrem eigenen unregelmäßigen Muster. Schließlich gab Susan auf, kaufte die Post und ging ins »Tutta Pasta« in der Carmine Street, um ein spätes Abendessen zu sich zu nehmen.
Sie aß warmes, in Olivenöl getunktes Brot und trank einen Chianti, während sie die Zeitung las. Auf Seite drei entdeckte sie ein Foto von Tiffany, dem Jahrbuch ihrer Abschlußklasse entnommen, und einen Artikel über die Ermittlungen in dem Mordfall. In Kürze würde es zur Anklageerhebung kommen, stand dort.
Dann, auf Seite sechs, stieß sie zu ihrem Erstaunen auf das Foto von Justin Wells und den Bericht, daß er zu den Umständen des Unfalls seiner Frau vernommen würde.
Ich werde niemanden davon überzeugen können, daß ein Zusammenhang zwischen den beiden Fällen besteht, wenn ich nicht diesen Andenkenladen finde und mit dem Verkäufer spreche, dachte sie. Und ihm, so Gott will, das Foto von der Kreuzfahrt zeige, das am Montag eintreffen soll.
Heute abend habe ich den Laden zwar noch nicht gefunden, sagte sie sich, aber morgen früh ziehe ich wieder los.
Um zehn kam sie nach Hause und ließ müde ihre Schultertasche auf den Tisch in der Diele fallen. Warum schleppe ich eigentlich immer soviel Zeug mit mir herum?
fragte sie sich, als sie ihre Schultern kreisen ließ. Die Tasche ist so schwer, als läge eine Leiche dann.
»Nein, was für ein erfreulicher Gedanke«, sagte sie laut, als ihr Tiffanys Bild vor Augen trat. Sie sah genauso aus, wie ich sie mir vorgestellt hatte, dachte Susan traurig.
Zuviel Lidstrich, das Haar blondgefärbt und zu stark toupiert, aber trotzdem hübsch und frech.
Widerstrebend ging sie zu ihrem Anrufbeantworter; das Lämpchen blinkte. Um neun hatte Alex Wright angerufen:
»Ich wollte nur kurz Hallo sagen. Ich freue mich auf morgen abend. Falls wir im Laufe des Tages nichts voneinander hören, hole ich Sie um halb sieben ab.«
Er läßt mich wissen, daß er heute abend zu Hause ist, dachte Susan. Das ist gut.
Der nächste Anruf stammte von ihrer Mutter. »Es ist halb zehn. Ich versuch’s später noch mal, Liebes.«
Vermutlich genau dann, wenn ich unter die Dusche gehe, dachte Susan und beschloß, den Anruf sofort zu erwidern.
Sie hörte der Stimme ihrer Mutter an, daß etwas nicht stimmte. »Susan, wußtest du, daß Dee nicht nur vorhat, wieder nach New York zu ziehen, sondern daß sie bereits eine Wohnung gemietet hat?«
»Nein«, sagte Susan. Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu: »Kommt das nicht ein bißchen plötzlich?«
»Ja. Sie war ja immer schon rastlos, aber ich muß sagen, es hat mich richtig verletzt, daß sie heute die Trophäe mitgenommen hat, um den Mietvertrag zu unterschreiben.«
»Sie hat Binky mitgenommen? Warum denn das?«
»›Um die Meinung einer Frau einzuholen‹, hat sie gesagt. Also habe ich ihr in Erinnerung gerufen, daß ich nicht blind bin und mir die Wohnung auch gern angesehen hätte, aber Dee meinte, es habe noch einen anderen Interessenten gegeben und sie habe schnell zugreifen müssen.«
»Vielleicht war es ja so«, gab Susan zu bedenken.
»Mom, bitte laß dich von so was nicht unterkriegen. Es lohnt sich nicht. Du weißt genau, daß es dir gefallen wird, Dee wieder hier in New York zu haben.«
»Ja, sicher«, gab ihre Mutter ein wenig besänftigt zu.
»Aber ich mache mir Sorgen … Na, du weißt ja, worüber wir neulich geredet haben.«
Gott, gib mir Kraft, dachte Susan. »Mom, wenn du Alex Wright meinst – ich war
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