Nimm dich in acht
unbewußt an die Passagierliste der Seagodiva gedacht hatte. Sie war ihr bei der Durchsicht von Carolyn Wells’ Unterlagen aufgefallen, und Justin Wells hatte ihr erlaubt, sie mitzunehmen.
Jetzt fiel ihr wieder ein, daß Carolyn den Namen »Win«
auf eine der täglichen Bordmitteilungen des Schiffs geschrieben hatte. Win war fast sicher der Mann, mit dem sie sich in Algier hatte treffen wollen, dachte Susan. Ich hätte mir die Passagierliste gleich ansehen sollen. Wir wissen, daß der Mann Passagier auf dem Schiff war, also muß sein Name auf der Liste stehen.
Da sie hellwach war und keine Hoffnung hatte, wieder einschlafen zu können, entschied sie, daß Kaffee ihr helfen würde, einen klaren Kopf zu bekommen. Nachdem sie eine Kanne gekocht hatte, nahm sie eine Tasse mit ins Bett, stopfte sich die Kissen in den Rücken und nahm sich die Liste vor. »Win« muß eine Abkürzung sein, dachte sie.
Als sie die Namen der Passagiere durchging, hielt sie Ausschau nach einem Winston oder Winthrop, aber es war niemand mit einem solchen Namen aufgeführt.
Es könnte ein Kosename sein, überlegte sie. Auch bestimmte Nachnamen von Passagieren kamen eventuell in Frage, darunter Winne und Winfrey. Aber Winne und Winfrey waren beide mit ihren Gattinnen an Bord gegangen.
Die Initialen der zweiten Vornamen waren bei sehr wenigen Passagiere angegeben; also würde ihr die Liste keine große Hilfe sein, wenn der Mann, den Carolyn kennengelernt hatte, nach seinem zweiten Vornamen Win genannt wurde.
Sie bemerkte, daß die Namen im Fall von Ehepaaren in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt waren, das hieß, daß Mrs. Alice Jones vor Mr. Robert Jones kam und so weiter. Susan strich alle Ehepaare aus und kreuzte die Namen von Männern an, denen nicht der Name einer Frau voranging oder folgte. Der erste Name eines alleinreisenden Mannes war Mr. Owen Adams.
Interessant, dachte sie, als sie die Liste durchgesehen hatte; von sechshundert Menschen an Bord waren hundertfünfundzwanzig alleinreisende Frauen, aber nur sechzehn alleinreisende Männer. Das verringerte die Auswahl enorm. Dann kam ihr ein anderer Gedanke: Ob die Passagierliste der Gabrielle noch unter Regina Clausens Sachen war? Und wenn ja, war es möglich, daß einer der sechzehn Männer von der Seagodiva auch dort zu den Passagieren gehört hatte?
Susan schlug die Bettdecke zurück und stieg unter die Dusche. Auch falls Mrs. Clausen keine Lust hat, mich zu sehen, werde ich sie nach der Passagierliste der Gabrielle fragen, beschloß sie; und wenn eine solche Liste mit Reginas Sachen zurückgeschickt wurde, werde ich sie bitten, sie mir durch ihre Haushälterin aushändigen zu lassen.
86
Federn im Wind, Federn im Wind. Er fühlte, wie sie sich verteilten, tanzten, ihn neckten. Jetzt wußte er sicher, daß er sie niemals alle würde zurückholen können. Fragen Sie Dr. Susan, wenn Sie mir nicht glauben, dachte er zornig.
Er wünschte, es gäbe eine Möglichkeit, seinen Plan zu beschleunigen, aber es war zu spät. Die einzelnen Schritte waren festgelegt, und jetzt war nichts mehr zu ändern. Er mußte planmäßig abreisen, aber dann würde er zurückkommen und sie ausschalten.
Gestern abend, als er an Susans Haus vorbeiging, war sie zufällig ans Fenster getreten. Er wußte, daß sie ihn nicht deutlich gesehen haben konnte, aber ihm war auch klar, daß er nicht noch einmal ein solches Risiko eingehen durfte.
Bei seiner Rückkehr nach New York würde er einen Weg finden, sich um sie zu kümmern. Er würde ihr nicht folgen und sie auf die Fahrbahn stoßen, so wie Carolyn Wells. Das hatte sich als eine wenig erfolgreiche Methode erwiesen, da Carolyn zwar im Koma lag und offenbar geringe Aussichten auf Genesung hatte, jedoch immer noch lebte; und solange sie lebte, war sie eine Bedrohung.
Nein, er würde Susan allein auflauern, so wie Tiffany – so wäre es am besten.
Obgleich es auch noch einen anderen Weg geben könnte, dachte er plötzlich.
Heute nachmittag würde er als Bote verkleidet ihr Bürohaus ausspionieren, die Sicherheitsvorkehrungen am Eingang und den Lageplan der Etage, in der ihre Praxis lag, studieren. Es war Samstag, also würden nicht viele Menschen da sein. Weniger neugierige Augen, die ihn beobachten konnten.
Die Vorstellung, Susan in ihrer Praxis zu töten, war ungemein befriedigend. Er hatte beschlossen, sie mit der gleichen Todesart zu beehren wie Veronica, Regina, Constance und Monica – mit derselben Todesart, die auf sein letztes Opfer
Weitere Kostenlose Bücher