Nimm dich in acht
den Eindruck, als beziehe sich alles, was sie sagte, auf dieses unvermeidliche Schicksal.
Heute saß sie im Bett und hatte sich einen Schal um die Schultern gelegt. Ihr Gesicht war nicht mehr so blaß, aber Susan war sicher, daß die Röte ihrer Wangen fiebrig war.
»Es ist sehr lieb von Ihnen, heute noch mal vorbeizukommen«, sagte Mrs. Clausen. »Die Sonntage im Krankenhaus vergehen sehr langsam. Außerdem hatte ich gestern keine Gelegenheit, unter vier Augen mit Ihnen zu sprechen, und daran liegt mir sehr viel. Douglas Layton war sehr aufmerksam, sehr freundlich zu mir. Ich habe Ihnen ja gesagt, daß ich ihn meiner Ansicht nach neulich falsch eingeschätzt habe, daß meine Zweifel an ihm unbegründet waren. Andererseits, wenn ich den Schritt tue, der mir vorschwebt – das heißt, wenn ich den derzeitigen Präsidenten der Stiftung bitte, in Pension zu gehen und Douglas an seine Stelle treten zu lassen –, räume ich ihm große Macht über eine beträchtliche Geldsumme ein.«
Tun Sie das nicht! dachte Susan.
Jane Clausen fuhr fort: »Mir ist bewußt, daß ich im Augenblick besonders empfänglich für Zeichen der Anteilnahme, der Zuneigung oder Rücksichtnahme bin –
mit welchem Begriff man Mitleid auch sonst bezeichnen mag.«
Sie hielt inne, griff nach dem Wasserglas, das an ihrem Bett stand, und trank einen Schluck. »Deshalb wollte ich Sie bitten, Douglas Layton gründlich überprüfen zu lassen, bevor ich diese wichtige Entscheidung fälle. Ich weiß, es ist eine Belastung, und dabei kennen wir uns erst seit einer Woche. Aber trotz der kurzen Zeit betrachte ich Sie als verläßliche Freundin. Sie haben bestimmte Gaben, wissen Sie. Und das ist vermutlich der Grund, warum Sie in ihrem Beruf so gut und so erfolgreich sind.«
»Bitte, ich tue gern für Sie, was ich kann. Und danke für Ihre freundlichen Worte.« Susan überlegte, daß es nicht der richtige Zeitpunkt war, um Jane Clausen zu sagen, daß Layton bereits überprüft wurde und daß schon nach den ersten Informationen ein schlechtes Licht auf ihn gefallen war. Sie drückte sich behutsam aus. »Ich halte es generell für klug, Vorsicht walten zu lassen, bevor man einschneidende Veränderungen veranlaßt, Mrs. Clausen.
ich verspreche Ihnen, daß ich mich darum kümmern werde.«
»Danke. Das ist eine große Erleichterung für mich.«
Susan schien es, als würden Jane Clausens Augen mit jedem Tag größer. Heute morgen glänzten sie, und doch strahlte sie Gelassenheit aus. Noch vor ein paar Tagen sah sie so traurig aus, dachte Susan, doch jetzt wirkt sie anders, als wüßte sie, was kommt, und habe es akzeptiert.
Susan suchte kurz nach den geeigneten Worten, um ihr ihre nächste Bitte vorzutragen, dachte dann jedoch, daß sie sich die Erklärungen besser für später aufhob.
»Mrs. Clausen, ich habe meinen Fotoapparat mitgebracht.
Würde es Sie stören, wenn ich ein paar Aufnahmen von der Skizze des Waisenhauses mache?«
Jane Clausen hatte den Schal enger um ihre Schultern gezogen. Sie zupfte ihn zurecht, bevor sie antwortete: »Sie haben einen Grund für diese Bitte, Susan. Worum geht es?«
»Kann ich es Ihnen morgen sagen?«
»Ich würde es lieber gleich wissen, aber ich kann auch warten; so bleibt mir für morgen die Freude auf einen weiteren Besuch von Ihnen. Aber Susan, bevor Sie gehen, sagen Sie, haben Sie noch mal von der jungen Frau gehört, die am Montag in ihrer Sendung angerufen hat? Die Frau mit dem Türkisring?«
Susan antwortete vorsichtig. »Sie meinen ›Karen‹? Ja und nein. Ihr wirklicher Name lautet Carolyn Wells.
Wenige Stunden nach dem Anruf wurde sie schwer verletzt, und ich konnte nicht mehr mit ihr sprechen, weil sie im Koma liegt.«
»Wie furchtbar.«
»Sie ruft immerzu nach einem Win. Ich glaube, es könnte der Name des Mannes sein, den sie auf dem Kreuzfahrtschiff kennenlernte, konnte es aber noch nicht bestätigen. Mrs. Clausen, hat Regina Sie jemals von der Gabrielle aus angerufen?«
»Mehrmals.«
»Hat Sie mal von einem Mann namens Win geredet?«
»Nein, sie hat keinen der Mitreisenden mit Namen erwähnt.«
Susan hörte an Mrs. Clausens Stimme, wie erschöpft sie war. »Ich mache jetzt die Fotos und dann gehe ich«, sagte sie. »In ein paar Minuten bin ich weg. Ich merke, daß Sie Ruhe brauchen.«
Jane Clausen schloß die Augen. »Die Medikamente machen mich furchtbar schläfrig.«
Die Skizze stand dem Bett gegenüber auf der Kommode.
Susan schoß mit Blitzlicht vier Polaroid-Fotos, dann sah sie zu,
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