Nimm dich in acht
der Thompson Street. »Es gehört dem Vater eines meiner Klienten«, erklärte er. »Er gibt mir Rabatt.«
»Selbst ohne den Rabatt würde sich die Investition lohnen«, sagte Susan später zu ihm, als der Kellner ihre Teller wegbrachte. »Die Scholle war phantastisch.«
»Der Lachs auch.« Er hielt inne und trank einen Schluck Wein. »Susan, ich muß Sie etwas fragen. Ich war gestern und heute nachmittag im Krankenhaus, um mit Justin Wells zu sprechen. Er sagt, Sie hätten sich ebenfalls mit ihm getroffen.«
»Richtig.«
»Mehr wollen Sie darüber nicht sagen?«
»Ich denke, mehr sollte ich dazu nicht sagen, außer daß ich fest glaube, daß das Unglück, das seiner Frau zugestoßen ist, kein Unfall war, und daß er unschuldig ist.«
»Das war ein großer Trost für ihn in einer Zeit, in der er dringend Zuspruch braucht.«
»Da bin ich froh. Ich mag ihn.«
»Ich auch, aber wie ich schon neulich sagte, hoffe ich, daß er die Therapie bei mir wieder aufnimmt – oder bei einem Kollegen –, wenn seine Frau aus dem Gröbsten heraus ist. Übrigens hat man mir im Krankenhaus mitgeteilt, daß sie Anzeichen der Besserung zeigt. Im Augenblick lädt Justin sich noch viel zuviel eingebildete Schuld an dem Unfall auf, als daß er damit fertigwerden könnte. Ich weiß, wie die Schuldschraube funktioniert. Er denkt, wenn er seine Frau nicht angerufen und nervös gemacht hätte, dann hätte sie den Termin bei Ihnen eingehalten und ein Taxi genommen, anstatt zu Fuß zur Post zu gehen und vor einen Transporter zu laufen.«
Richards zuckte die Schultern. »Aber ich wäre längst arbeitslos, wenn nicht so viele Menschen von Schuldgefühlen geplagt würden. Die ich übrigens sehr gut nachfühlen kann. Oh, da kommt der Kaffee.«
Der Kellner stellte die Tassen vor sie hin.
Susan trank einen Schluck, dann fragte sie unverblümt:
»Plagen Sie auch Schuldgefühle, Don?«
»Bis vor kurzem. Jetzt bin ich, glaube ich, allmählich über den Berg. Aber neulich abends haben Sie etwas gesagt, das mir naheging. Sie erzählten, nach der Scheidung Ihrer Eltern hätten Sie das Gefühl gehabt, daß alle in verschiedene Rettungsboote stiegen. Warum?«
»Hey, analysieren Sie mich doch nicht«, protestierte Susan.
»Ich frage als Freund.«
»Dann antworte ich Ihnen. Es ist das Übliche, wenn es zu einer Scheidung kommt: Loyalitätskonflikte. Meiner Mutter brach das Herz, und mein Vater verkündete überall, er sei noch nie so glücklich gewesen. Dadurch wurden all die Jahre in Frage gestellt, in denen ich offenbar fälschlicherweise den Eindruck gehabt hatte, daß wir eine glückliche Familie wären.«
»Und Ihre Schwester? Stehen Sie ihr nahe? Sie brauchen mir gar nicht zu antworten – Sie sollten Ihr Gesicht sehen.«
Susan hörte sich sagen: »Vor sieben Jahren, als ich mich verloben wollte, ist Dee auf der Bildfläche erschienen.
Raten Sie mal, wer den Prinzen bekommen hat und die Braut war?«
»Ihre Schwester.«
»Genau. Dann kam Jack bei einem Skiunfall ums Leben, und jetzt ist sie dabei, einen anderen Mann zu umgarnen, mit dem ich ausgehe. Nett, nicht wahr?«
»Lieben Sie Jack immer noch?«
»Ich glaube, man hört nie auf, einen Menschen zu lieben, der einem viel bedeutet hat. Ich glaube auch nicht, daß man einen Teil seiner Vergangenheit auslöschen sollte, weil das ohnehin nicht geht. Der Kernpunkt ist, wie ich immer wieder meiner Mutter predige, den Schmerz loszulassen und ein neues Leben anzufangen.«
»Haben Sie das getan?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Sind Sie an diesem neuen Mann interessiert?«
»Es ist noch viel zu früh, um das zu sagen. Und können wir jetzt bitte über das Wetter sprechen, oder noch besser, erzählen Sie mir, warum Sie sich so für die Passagierlisten interessiert haben?«
Die verständnisvolle Wärme verschwand aus Don Richards’ Augen. »Nur wenn Sie mir sagen, warum Sie einige Namen gestrichen und zwei eingekreist haben: Owen Adams und Henry Owen Young.«
»Owen ist einer meiner Lieblingsnamen«, sagte Susan.
»Es wird spät, Don. Sie reisen morgen früh ab, und ich habe einen sehr langen Tag vor mir.«
Sie dachte daran, daß sie um acht Uhr bei Chris Ryan anrufen wollte, und an das Paket mit den Fotos, das sie nachmittags aus London erhalten würde.
»Vielleicht werde ich sogar bis um neun in der Praxis festsitzen.«
96
Montags ging Chris Ryan gern früh ins Büro. Die Sonntage gehörten der Familie, und normalerweise kamen mindestens zwei seiner sechs Kinder mit
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