Nimm mich, wie ich bin
ist die Rettungsübung ein Kinderspiel.”
“Wir werden noch vom Blitz getroffen werden”, murrte Jo und stopfte ihr widerspenstiges rotes Haar unter eine Strickmütze.
“Ach Unsinn.”
“Es gibt haufenweise Papierkram zu erledigen.”
Chance zog sanft an der Pudelmütze. “Es nieselt doch nur ein bisschen und gewittert nicht. Außerdem hasst du Büroarbeit.”
Sie versammelten sich alle unter dem Skilift und starrten nach oben.
“Im Augenblick hasse ich Büroarbeit nicht”, erklärte Jo.
Chance schob sie vorwärts. “Rate mal, wer als Erster dran ist.”
“Und ich habe Ally auch noch gesagt, was für ein netter Boss du bist”, beschwerte Jo sich.
“Ich bin nett.” Nicht dass Ally ihm da zustimmen würde, aber anders wollte er es ja auch nicht haben.
Er hatte von ihr geträumt, und das hatte ihn zutiefst schockiert. Er hatte geträumt, was gewesen wäre, wenn er der Versuchung nachgegeben und sie gestern Abend doch in die Arme gerissen und geküsst hätte, bis sie beide keine Luft mehr bekommen hätten.
“Lasst uns loslegen”, rief er, wütend auf sich, weil er zuließ, dass Ally ihm dermaßen den Kopf verdrehte.
“Haben Sie mal daran gedacht, zur Armee zu gehen?”, fragte Brian und stellte sich wie alle übrigen unter den Skilift. “Sie wären bestimmt ein guter Rekrutenschleifer.”
“Ja, klar.” Sein älterer Bruder hatte das Leben beim Militär gewählt. Chance wollte sein eigener Herr sein. “Und wieso bist du hier? Ich dachte, du hättest deine Stunden für diese Woche schon absolviert.”
“Hab ich auch.”
Die Baumwolljacke des Jungen war viel zu dünn für dieses Wetter, er war jetzt schon bis auf die Haut durchnässt.
“Wenn du also schon dein Pensum erfüllt hast”, entgegnete Chance so geduldig, wie er nur konnte, “warum wirst du dann ohne Grund klatschnass?”
Brian murmelte etwas Undeutliches vor sich hin und zuckte mit den Achseln.
“Sprich lauter, wenn’s geht.”
“Er sagt, er möchte bei der Skipatrouille mithelfen”, schaltete Ally sich ein.
Sie war von Kopf bis Fuß warm eingepackt, was Chance amüsant fand, und sah einfach umwerfend aus. Sie trug eine glatte schwarze Skihose und Stiefel. Ihr Parka betonte ihre Taille, die Kapuze verdeckte ihr Haar vollkommen und auch fast ihr ganzes Gesicht, sodass er nur ihre Augen sehen konnte, deren Farbe der des Himmels bei Sturm ähnelte.
“Wenigstens tragen Sie Ihre eigene Jacke”, bemerkte er trocken.
“Ich versuche, meine Fehler nicht zu wiederholen.” Ganz ruhig begegnete sie seinem Blick, und Chance hob überrascht die Augenbrauen. Auch die Herausforderung in ihren Augen erstaunte ihn. “Brian möchte mit zum Team gehören.”
Chance schüttelte bereits den Kopf, noch bevor sie den Satz beendet hatte. “Er ist zu jung für die Skipatrouille.”
“Ja, aber die Übung wäre eine nützliche Erfahrung.”
“He, ich bin schon erfahren.” Brians großspuriger Ton stand im Gegensatz zu der Unsicherheit in seinen Augen. Und der trotzige Zug um seinen Mund deutete darauf hin, dass er mit einer Zurückweisung rechnete.
Chance spürte, wie sein Widerstand schmolz. Kein Junge in Brians Alter sollte so einen Blick haben. “Später, wenn du alt genug dafür bist. Vorausgesetzt, du steckst nicht in Schwierigkeiten.”
“Werd ich nicht.”
“Wie du meinst. Aber du musst auch den Erste-Hilfe-Kurs absolvieren und dich auf den Skipisten sicher bewegen können.”
“Das kann ich”, erklärte Brian, plötzlich sehr ernst.
Chance war sicher, dass der Junge es schaffen würde. Und er war froh, dass es etwas gab, was Brian so sehr interessierte, dass er darüber sogar vergessen hatte, ein finsteres Gesicht zu ziehen. Jeder Mensch brauchte etwas, das seine Leidenschaft weckte, und vielleicht würde die Arbeit Brian ja vor einer Karriere als Krimineller bewahren. “Dann betrachte dies hier als eine Art Vortraining. Ziehst du dich eigentlich jemals richtig an?”
Brian sah an sich herab. “Das ist alles, was ich hab.”
Chance unterdrückte ein Seufzen. “Lauf ins Büro hinauf, und nimm dir eine der Regenjacken.”
Ally blickte ihn so dankbar an, dass Chance sich hastig mit einem Stirnrunzeln abwandte.
Sie verbrachten die folgende halbe Stunde mit der Vorbereitung der Übung. Alle bis auf zwei von ihnen würden in den laufenden Lift einsteigen, und die beiden, die unten geblieben waren, sollten die Evakuierung vornehmen. Sie würden sich in dieser Rolle abwechseln, bis jeder an die Reihe gekommen
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