Nimm mich
er ihr die Wahrheit sagte? Andererseits, warum sollte sie ihn verlassen wollen?, dachte Joshua bitter und lehnte sich an die Fahrstuhlwand. Schließlich war sie nur seine Geliebte, und eine andere Frau bedrohte ihren Goldesel. Was kümmerte es sie? In ein paar Monaten war sie sowieso wieder frei wie ein Vogel. Allerdings entging auch Joshua nicht, dass die Spannung zwischen ihnen eine andere Sprache sprach.
Als sie aus der Tiefgarage fuhren, sagte er grimmig: „Sie hat gelogen …“
Jessie atmete kurz aus. „Das sagen alle.“
Joshua blickte sie an. Die Straßenlichter tanzten auf ihrem Gesicht, ihr Ausdruck war nur schwer zu erkennen. „Du glaubst mir nicht? Ich schwöre dir, Jessie. Sie will mir ein Kind anhängen, das ich nicht gezeugt habe.“
Schweigend sah Jessie aus dem Fenster. Jeder Mann, der etwas zu verlieren hatte, würde sich so aus der Affäre ziehen wollen. Und Joshua hatte etwas zu verlieren, selbst wenn sie nur ein hübsches Spielzeug für ihn war. Und trotzdem sagte ihr eine innere Stimme, dass Lügengeschichten von dem Kaliber nicht zu Joshua passten. „Wenn es nicht von dir ist, warum behauptet Megan das dann? Wenn es nicht stimmt, kommt es doch sowieso früher oder später raus.“
Joshua entspannte sich ein wenig. Sie wollte überzeugende Argumente hören, und das hieß, dass sie ihm vielleicht doch glaubte. „Weil sie ein Biest ist. Und weil sie mein Geld will. Sie pokert und bedenkt nicht, dass sie auch verlieren könnte.“
Jessie nickte. Es gab solche Frauen. Erstaunlich genug, aber es gab sie. Jessie gähnte. Der Abend war anstrengend gewesen, und langsam merkte sie, wie die Anspannung von ihr abfiel. Sie zögerte kurz, dann aber schmiegte sie sich an ihn.
„Dann wird sie das wohl jetzt lernen müssen, das man im Leben auch verlieren kann, meine ich“, murmelte sie.
Joshua warf ihr einen fragenden Seitenblick zu, und dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Sie glaubte ihm. In ihrer Stimme hatte kein Zweifel gelegen. Sie … glaubte ihm wirklich. Verschiedene Gefühle übermannten ihn. Ungläubigkeit. Wärme. Und noch etwas, das viel zu machtvoll war, zu unglaublich.
Jessie kuschelte sich tiefer in ihren Sitz, sah ihn mit halb geschlossenen Augen an und begann, ihn mit einer Hand unter dem Jackett zu streicheln. Als er eine scharfe Rechtskurve nahm, steckte sie den Daumen unter seinen Gürtel. Ihre langen Wimpern warfen Schatten auf ihre Wangen.
„Ich wünschte …“
„Was wünschst du dir, Jessie?“
Sie zuckte mit den Achseln und murmelte schläfrig: „Ich würde mir ein kleines Mädchen wünschen. Ich würde ihr hübsche Kleider anziehen und versuchen, ihr das Rüstzeug mitzugeben, das sie braucht, um in der Welt zurechtzukommen. Sie müsste niemals Hunger leiden oder Angst haben.“ Jessie unterdrückte ein Gähnen. „Aber das Wichtigste: Ich würde sie einfach lieben.“
Joshua spürte einen scharfen Schmerz in der Brust. Sie schien sich gar nicht darüber im Klaren zu sein, was sie gerade von sich preisgegeben hatte. Er wusste selbst am besten, wie es war, von der Mutter nicht beachtet zu werden, aber zumindest war immer für das Nötigste gesorgt worden. Haushälterinnen und Kinderschwestern hatten ihm zwar keine Liebe gegeben, aber zumindest Kleidung und Essen, er hatte niemals frieren oder hungern müssen.
Jessie war es anders ergangen. Sie sprach nur selten über ihre Kindheit. Sie hatte nie gewusst, ob und wann ihre Mutter nach Hause kommen würde. Laut Felix war ihre Mutter regelmäßig wegen Prostitution festgenommen worden. Wohin hatte Jessie sich gewandt, wenn ihre Mutter im Gefängnis saß? Und wie war aus Jessie eine Frau geworden, die anderen so leicht vertrauen konnte?
Er selbst war ein einsamer Mensch. Zwar gab es ein paar Leute, die er als Freunde bezeichnete, aber in Wirklichkeit handelte es sich dabei nur um Geschäftsbeziehungen. Nie zuvor hatte eine Frau ihm so vertraut wie Jessie, ihn so verstanden wie Jessie. Das war eine ganz neue Erfahrung. Joshua kostete dieses Gefühl aus, während Jessies Körper neben ihm ganz weich wurde. Er warf ihr einen langen, nachdenklichen Blick zu.
Innerhalb von Sekunden war sie eingeschlafen. Teufel noch mal, dachte Joshua. Am liebsten hätte er laut gelacht. Sie glaubte ihm. Kein Theater. Keine Szene. Er starrte auf die dunkle Straße. Wie nur konnte eine so unkomplizierte Frau so schwer zu verstehen sein?
Als sie an diesem Abend so beiläufig gesagt hatte, dass sie bis Dezember vergeben sei,
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