Nimm mich
Tabuthema war. Sie würden was zusammen trinken, gut essen, und dann würde das Leben endlich wieder seinen normalen Verlauf nehmen.
Den meisten Angestellten hatte er den Monat freigegeben. Er hatte keine Lust mehr auf ihre vorwurfsvollen Blicke. Sie hatten Jessie angebetet. In ihren Augen war er der Buhmann. Vielleicht sollte er ihnen ja mal von ihrer wundersamen Schwangerschaft erzählen.
Seit Jessie nicht mehr da war, kam er abends in ein dunkles Haus. Er hatte sich so sehr daran gewöhnt, dass Jessie auf ihn wartete, alle Lichter anheimelnd angeschaltet. Ganz zu schweigen von ihrem warmen Lächeln und ihren tröstenden Armen. Das Haus, aus dem sie kurzzeitig ein Heim gemacht hatte, war nun wieder nichts anderes als ein Haus.
Aber egal, es war ihm vorher auch ohne sie gut gegangen, und, verdammt noch mal, das würde wieder so sein. Er brauchte sie nicht.
Er umklammerte das Lenkrad fester. Diese verräterische kleine Hexe! Die Regenbogenpresse hatte bereits Hackfleisch aus ihr gemacht. Ein Kalendergirl, das nicht einmal die zwölf Monate durchgehalten hatte. Die Gerüchte wucherten wild, was Joshua wie immer völlig ignorierte. Es war der Job seiner Public-Relations-Abteilung, die Artikel über ihn durchzusehen und ihm nur das vorzulegen, worauf er persönlich reagieren musste.
In diesem Fall hatte er jedoch seine Leute instruiert, nichts zu unternehmen, um den wilden Spekulationen Einhalt zu gebieten. Es interessierte ihn nicht, was aus ihr wurde. Jessie hatte sich die Suppe eingebrockt, jetzt musste sie sie auch selbst auslöffeln.
Er wollte sich einreden, dass sie sowieso nicht mehr als ein kurzes Intermezzo gewesen war, leicht zu vergessen. Doch die Realität war eine andere. Sie hatte sein Leben verändert. Niemals mehr wollte er eine Geliebte für einen festen Zeitraum haben. Meine Güte, er fühlte sich schon jetzt bereits wie ein Eremit, Sex war das Letzte, woran er dachte.
Selbst das hatte sie ihm verdorben.
Er hatte vor, die Weihnachtstage in London zu verbringen, ohne irgendjemanden darüber zu informieren. Inzwischen tat es ihm fast leid, dass er ihr das Haus in Tahoe überschrieben hatte. Diesmal konnte er sich an den verhassten Feiertagen nicht einmal dorthin zurückziehen.
Es begann zu regnen. Ein feiner, deprimierender Dunst lag auf den nackten Ästen der Bäume und drückte die Sträucher in der Einfahrt zu Boden. Ich kann aber auch in die Sonne fahren, dachte er, als er aus dem Jaguar stieg und die geschwungene Treppe hinaufging. Irgendwohin, wo es heiß war.
Irgendwohin, wo er mit Jessie nie gewesen war.
Das Erste, was ihm auffiel, als er eintrat, war der Geruch. Er schloss die Augen und atmete tief ein.
Offenbar war er kurz davor, durchzudrehen. Das Haus war vollkommen leer, und doch roch er den Duft von Kiefern und Zimt und gebratenen Äpfeln.
Joshua warf seinen Mantel über einen Tisch und lief durch die Eingangshalle zu seinem Refugium, wo er wie angewurzelt stehen blieb.
Der Weihnachtsbaum, in Gold und Grün geschmückt und mit kleinen, weißen Lichtern füllte eine ganze Ecke vor den Fenstern aus. In dem riesigen Kamin brannte ein Feuer, das sich in den in Folien eingepackten Geschenken spiegelte. Neben den Kristallkaraffen auf dem Getränkewagen stand ein Teller mit selbst gebackenen Plätzchen.
Jessie.
Joshuas Herz begann wie wild zu hämmern. Er schnappte nach Luft, als ob er ersticken würde.
Jessie war zu Hause.
Er massierte seine noch immer schmerzende rechte Hand. Du Narr. Denn wenn sie tatsächlich hier wäre, würde er sie innerhalb von zwei Sekunden aus seinem Haus werfen. Er brauchte sie nicht, und mit Sicherheit wollte er Weihnachten nicht feiern, weder dieses Jahr noch sonst irgendwann. Verflucht sei sie.
„Jessie!“ Er raste aus dem Zimmer, stürmte wie ein Wahnsinniger durch das leere, stille Haus und rief ihren Namen. Wo auch immer er hinschaute, sah er Anzeichen dafür, dass Jessie gekommen war.
Und wieder gegangen.
Völlig außer sich riss er Türen zu unbenutzten Zimmern auf, schaute in Wandschränke. In seinem Schlafzimmer konnte er eine Spur ihres Parfüms riechen, aber Jessie war nicht da. In ihrer Hälfte des Schrankes hingen noch immer ihre Kleider. Jedes verdammte Kleid, das er ihr geschenkt hatte. Er knallte die Tür zu, um die Erinnerung an ihren Pfirsichduft, an Glück und Zweisamkeit auszusperren.
Er war über ihr Eindringen empört. Gerade jetzt, wo er beinahe über sie hinweg war. Verflucht. Wie konnte sie es wagen, einfach in sein Haus
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