Nimm mich
schlug mit der Faust gegen die Wand. Das Geräusch hallte laut und gewaltig in der Stille seines Büros wider. Ein Spiegel fiel hinunter und zerbrach auf dem edlen Parkettfußboden in tausend Stücke.
„Ach, verflucht“, kommentierte er sarkastisch. „Noch mal sieben Jahre Pech.“ Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Seine Hand tat weh, er riss die Tür auf. „Verschwinde, zum Teufel. Ich will dich nie mehr wiedersehen.“
Ihr Blick wurde ganz leer, dann schloss sie die Augen. „Wenn du es dir irgendwann anders überlegst …“ Als sie die Augen wieder öffnete, waren sie voll von Bedauern.
„Sprich dich ruhig aus.“
Sie nahm ihre Tasche, richtete sich auf, blickte erst auf das Loch in der Wand, dann auf seine Hand, dann in sein Gesicht. Blass, aber gefasst lief sie zur Tür, wo sie kurz stehen blieb.
„Muss ich erst den Sicherheitsdienst rufen?“, fragte er kühl.
Sie drehte sich nicht um, er sah, wie sie die Klinke der schweren Eichentür umklammerte. Ihre Schultern wurden steif, sie hob den Kopf. „Auf Wiedersehen, Joshua.“
„Und ich habe laut geschluchzt“, sagte Jessie angewidert, tränenlos und wütend. Sie schritt durch Archies und Conrads Zimmer. „Ich habe geweint!“ Sie warf die Arme in die Luft und kickte ihre Schuhe von den Füßen.
„Du bist von ihm schwanger, und dieser Mistkerl bricht dir das Herz“, sagte Archie mitleidig. „Natürlich hast du da geweint.“
„Er hat völlig die Fassung verloren.“ Jessie starrte an die Wand. „Er war so wütend.“ Wieder stiegen Tränen auf. „So verletzt.“ Jessie presste die Finger in ihre Augenhöhlen. „Verdammt, meine Hormone spielen verrückt. Wieso musste ich bloß heulen?“
„Weil dieser engstirnige Idiot dich verletzt hat!“ Conrad hockte sich auf die Sofalehne.
Jessie wirbelte herum. „Er ist kein Idiot.“ Sie nahm die Taschentücher, die Archie ihr reichte. „Nun, okay, er kann ein Idiot sein.“ Sie putzte sich die Nase. „Aber dadurch, dass ich geheult habe, fühlte er sich noch schlechter.“
„ Er fühlte sich schlechter?“, fragten beide Männer gleichzeitig.
„Alles, was dieser arme Mann wollte, war eine hübsche, unkomplizierte Affäre. Ich hätte mich nicht in ihn verlieben sollen.“
„Entschuldige bitte, aber ich würde gerne ein wenig Realität in dieses Gespräch bringen. Hat er zu deiner Schwangerschaft nicht beigetragen?“, fragte Conrad mit erhobenen Augenbrauen.
„Er behauptet, dass er sterilisiert sei.“ Ihre Tränen versiegten wie eine Pfütze in der Wüstensonne. „Ich könnte ihn erwürgen, dass er mir das nicht gesagt hat.“ Mit einem Mal war sie wieder entsetzlich wütend.
„Scheiße, Jess.“ Conrad tupfte ihr mit einem Taschentuch die verschmierte Wimperntusche von den Wangen. „Ruf meinen Vater an. Nimm den Typen bis auf den letzten Cent aus. Arch und ich werden Ersatzväter sein.“
Jessie warf ihnen einen abwesenden Blick zu. „Ihr beide wärt sicher tolle Papis, aber ihr könnt Joshua nicht vorwerfen, dass er sauer ist. Ich habe ihm auch noch die letzten Illusionen geraubt. Wenn all das schon wie geplant im Januar geschehen wäre, dann müssten wir dieses Gespräch gar nicht führen. Es ist nicht sein Fehler, dass wir unterschiedliche Vorstellungen haben. Nicht eine Sekunde lang hat er vorgegeben, etwas zu sein, was er nicht ist. Oder mir etwas versprochen, was er nicht einhalten konnte. Ich bin diejenige, die ihm diese ganzen Lügen aufgetischt hat. Dabei hatte er langsam begonnen, mir zu vertrauen.“ Sie kaute an einem Fingernagel. „Er war so verletzt, er hat sogar behauptet, dass er mich heiraten wollte!“
„Ihr seid bereits verheiratet“, rief ihr Archie in Erinnerung.
„Himmelherrgott noch mal! Er weiß das doch nicht!“ Diese verflixten Tränen kamen schon wieder. Jessie fuhr sich über die Wangen. „Ich habe sein Vertrauen missbraucht. Ich habe ihn belogen. Wenn schon die Schwangerschaft ihn so wütend macht, was wird dann erst geschehen, wenn er den ganzen Rest herausfindet?“
„Du solltest besser das Land verlassen“, sagte Archie halb im Scherz.
Jessie versuchte ein Lächeln. Es war ein hoffnungsloses Unterfangen. „Wie kann es eigentlich sein, dass einem das Herz herausgerissen wurde und man doch spürt, wie es bricht?“
Sie wunderte sich über ihre eigene Naivität. Wie hatte sie glauben können, auch nur zwölf Minuten, geschweige denn zwölf Monate mit Joshua verbringen zu können, und mit heilem Herzen daraus hervorgehen zu
Weitere Kostenlose Bücher