Nimmerklug im Knirpsenland
Farbenklecks zu Hause. Er malte Porträts. Jede Knirpseline wünschte eins, und sie richteten ihn mit ihren Forderungen fast zugrunde. Jede wollte unbedingt die Allerschönste sein. Und Farbenklecks wies vergebens darauf hin, daß jede auf ihre Art schön war und daß selbst kleine Augen hübsch aussehen können. Nein! Sämtliche Knirpselinen verlangten große Augen, lange Wimpern, geschwungene Augenbrauen und einen kleinen Mund. Schließlich hörte Farbenklecks auf zu streiten und malte, wie es von ihm verlangt wurde. Das war auch viel einfacher, denn dadurch konnte Farbenklecks die Porträtarbeit rationalisieren. Da alle das gleiche von ihm verlangten, beschloß er, eine sogenannte Schablone anzufertigen. Er nahm ein Stück festes Papier und schnitt hinein: zwei große Augen, gewölbte Augenbrauen, ein höchst elegantes Näschen, winzige Lippen, ein kleines Kinn mit einem Grübchen und an den Seiten zwei wohlgeformte Öhrchen. Oben schnitt er eine üppige Frisur aus, unten einen schlanken Hals und zwei kleine Hände mit schmalen Fingerchen. Mit Hilfe der Schablone machte er nun Schablonenbilder: Er legte die Schablone auf ein Stück Papier und fuhr mit einem Pinsel über die Stelle, wo die Lippen ausgeschnitten waren. Dadurch entstand auf dem Papier die Zeichnung zweier Lippen. Hierauf malte er in der gleichen Art mit einem fleischfarbenen Pinsel Nase, Ohren und Hände. Es folgten dunkle oder helle Haare, braune oder blaue Augen. Auf diese Weise entstand ein Schablonenbild.
Farbenklecks fertigte viele Schablonenbilder an. Hatte die betreffende Knirpseline blaue Augen und blondes Haar, so nahm er eins mit blauen Augen und blonden Haaren, machte es noch ein wenig ähnlicher, und das Porträt war fertig. Hatte eine Knirpseline dunkles Haar und dunkle Augen, so nahm er das dazu passende Schablonenbild.
Diese Vervollkommnung beschleunigte die Arbeit außerordentlich. Außerdem erkannte Farbenklecks, daß jeder Knirpserieb nach der Schablone Bilder anzufertigen vermochte. Deshalb zog er Schnurz hinzu. Schnurz wurde ein erfolgreicher Schablonenmaler; seine Bilder waren nicht schlechter als die von Farbenklecks. Eine solche Arbeitsteilung beschleunigte die Arbeit noch mehr, was auch vonnöten war, denn die Anzahl der Porträtbestellerinnen vergrößerte sich von Tag zu Tag.
Schnurz war auf sein neues Amt außerordentlich stolz. Wenn er von sich und Farbenklecks sprach, pflegte er würdevoll zu sagen: „Wir Künstler“. Doch Farbenklecks war mit seiner Arbeit nicht zufrieden. Er sagte, daß man von allen Porträts, die er in Grünstadt gemalt hatte, nur die Bilder von Schneeglöckchen und Blauäuglein als wirkliche Kunstwerke bezeichnen könne; die übrigen taugten höchstens als Topfdeckel.
Bums wird geheilt
Nach der Flucht von Brummer und Doktor Rizinus konzentrierte sich die Aufmerksamkeit des gesamten Krankenhauspersonals auf seinen einzigen Patienten: Bums.
Als Bums das erkannte, geriet er außer Rand und Band. Zum Mittagessen verlangte er Bonbonsuppe und Marmeladengrütze. Oder er bestellte Erdheerkoteletts .JOit Pilzsoße; jeder weiß, daß es so etwas gar nicht gibt. Dann befahl er wieder, ihm Apfelmus zu bringen, und als er es bekam, erklärte er, daß er Birnen-Kaltschale bestellt hätte. Stand die Kaltschale vor ihm, behauptete er, sie röche nach Zwiebeln. Jeden Morgen schickte Bums eine Schwester in die Stadt, um Bimmel, seinen Hund, zu suchen. Wenn die Schwester erschöpft in das Krankenhaus zurückkehrte und hoffte, Bums würde seinen Hund inzwischen vergessen haben, fragte er unweigerlich: „Na, hast du ihn gefunden?“
„Er .ist nirgends zu sehen.“
„Du hast ihn wahrscheinlich gar nicht gesucht.“
„Doch, Ehrenwort! Ich bin alle Straßen abgelaufen.“
„Wieso habe ich dich dann nicht rufen gehört? Geh und suche. ihn noch einmal.“
Die arme Schwester wußte nicht mehr, wohin sie sich wenden sollte, und rief von Zeit zu Zeit: „Bimmel, Bimmel! Daß dich der Teufel hole!“
Ihr war klar, daß alles Rufen keinen Sinn hatte, aber sie erfüllte Bums’ Verlangen, um den Kranken nicht aufzuregen.
Eine andere Schwester mußte beobachten, was die übrigen Knirpseriche taten. Dreimal am Tage hatte sie Bericht zu erstatten: morgens, mittags und abends. Eine dritte Schwester zwang er, ihm von früh bis spät Märchen zu erzählen. Waren die Märchen langweilig, so warf er die Schwester hinaus und verlangte, daß ihm eine andere geschickt wurde, die bessere Märchen erzählen konnte. Er
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