Nimmermehr
noch vielfältige Nebenwirkungen: Nervosität, schlechter Atem, Potenzstörungen, Antiintoxikation, gelbe Zähne. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.«
»Dummes Geschwätz!«
»Ach ja?«
Jetzt war es wohl an der Zeit, einige Gegenargumente aufzuführen. »Jeder fünfte Mensch in unserem Land ist Raucher. Wollen sie alle diese Menschen als Idioten abstempeln? Die Menschen wissen, was sie tun. Es gibt Leute, die wirklich rauchen wollen.«
»Tabak ist eine Droge«, sagte die andere Frau. »Sie bringt das Schlechte im Mann hervor.«
Was sollte denn das?
»Die bösen Geister leben im Rauch«, sagte ein Mann, der bisher geschwiegen hatte.
»Was habe ich damit zu tun?«, fragte Norris.
»Es ist eine Sucht. Eine Krankheit. Menschen, die süchtig sind, sind nicht mehr dazu in der Lage, Entscheidungen zu fällen. Die Droge wird zum Mittelpunkt ihres jämmerlichen Lebens.«
»Die Geister ergreifen Besitz von ihnen«, sagte der Mann.
Und die Anführerin sagte: »Sie stellen die Droge her. Sie verkaufen sie. Sie sind der Dealer.«
Norris sog abfällig Luft durch die Nase ein und schnaufte wie ein Bison.
»Blödsinn!«
»Nein, Mr Norris, kein Blödsinn. Wäre uns diese Sache nicht so ernst, dann wären Sie wohl kaum unser Gast.«
»Pah, Gast.«
Die Vermummte überhörte die Bemerkung. »Wir werden kein Lösegeld verlangen. Nein, wir fordern etwas weitaus Sinnvolleres als schnöden Mammon.«
»Ich bin gespannt«, spottete Norris.
Die Vermummte schwieg kurz, sagte dann: »Der Norris Konzern erhält eine Auflage. Eine sehr strenge Auflage. Die Tabakproduktion soll um fünfzig Prozent gesenkt werden.«
Ein dürrer Vermummter sagte: »Angebotspolitik.«
»Das Angebot bestimmt die Nachfrage. Senkt man das Angebot, dann sinkt auch die Nachfrage. Das ist der erste Schritt.«
Wider Erwarten musste Norris grinsen, fleischig und breit. Die Kleiefresser waren wirklich verrückter, als er vermutet hatte.
»Ich sehe Ihrem Gesicht an, dass Sie uns nicht glauben.«
Er sagte nichts.
»Wenn der Norris-Konzern unseren Forderungen nicht innerhalb der nächsten fünf Tage nachkommt, dann wird dies weitreichende Folgen haben. Für Sie, Mr Norris, für Sie!« Ihre Stimme wurde bedrohlicher. Was Norris beunruhigte, war nicht das, was sie sagte, sondern der Tonfall, in dem sie es sagte. Ruhig, überlegen, die Stimme einer Fanatischen.
»Sollte der Konzern den Forderungen nicht nachkommen«, sagte die andere Frau, »dann wird jeden Tag ein Körperteil an das Management geschickt. Ein Teil Ihres Körpers, Mr Norris.«
Norris wurde bleich.
Ja, das traute er den Irren zu.
»Ist das Ihr Ernst?«
»Wir sind entschlossen.«
»Und radikal!«
»Lassen Sie den Blödsinn. Lassen Sie mich laufen, und die Sache ist vergeben und vergessen. Sie werden Ärger bekommen. Ich bin ein mächtiger Mann.«
»Nicht so mächtig, wie Sie denken«, sagte der große Mann mit der tiefen Stimme.
»Wir werden mit den Fingern der rechten Hand beginnen und fangen dann nächste Woche Donnerstag mit der linken Hand an. Jeden Tag ein Finger.«
Norris schluckte.
Er war in der Gewalt gewalttätiger Gesundheitsfanatiker. Was sollte er nur tun?
Plötzlich, wie ein Schlag in die Magengegend, übermannte ihn ein Drang, den er fast schon vergessen hatte.
»Ich kann Ihre Gedanken lesen«, sagte die Vermummte im Türrahmen.
Er begann zu schwitzen. Eine Zigarette, ja, das war es, was er jetzt brauchte. In Stresssituationen musste er rauchen – und ohne Zigarette war er der Ritter ohne Rüstung.
»Sie haben seit fünf Stunden nicht mehr geraucht.«
Norris kamen jetzt fast die Tränen.
»Hier!« Die Maskierte warf ihm eine Schachtel Zigaretten vor die Füße. Hektisch packte Norris die Schachtel, riss sie gierig auf und fingerte einen Stängel hervor.
»Wir werden Sie jetzt verlassen, Mr Norris«, sagte die Frauenstimme. Und ohne eine Antwort abzuwarten, verließen die Maskierten den Raum, und es wurde wieder Nacht.
Als sie fort waren, begann Norris die Taschen seines Anzugs zu durchsuchen, eine nach der anderen. Die Kippe hing ihm lose im Mundwinkel. Ganz heiß wurde ihm mit einem Mal. Dann begann er zu fluchen. Die Kleiefresser hatten ihn gefilzt. Sie hatten sein Feuerzeug mitgenommen. Die Streichhölzer ebenso.
Mein Gott, sie hatten ihn in der Hand!
Langsam kroch Norris durch die Dunkelheit zu seiner Matratze, kauerte dort und trauerte um das lebenswichtige Feuer. Die Zigarette hing kalt und nutzlos zwischen seinen Lippen.
Leise und wütend begann
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