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Nimmermehr

Nimmermehr

Titel: Nimmermehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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überflüssig machten. Er war der Gott der Branche. Ja, ein Gott, verdammt noch mal!
    Norris – allein sein Name war jenen, die rauchten, heilig. Er persönlich hatte die legendären Slogans »Test the Best« und »Heute schon geraucht?« erfunden. Er selbst hatte den feinporigen Filter kreiert, die Langzeit-Zigarette und den wasserresistenten kubanischen Zigarillo. Ganz zu schweigen von den sich noch in der Testphase befindlichen Produkten, Innovationen, welche die Welt noch nie gesehen hatte (besonderes Augenmerk lag auf den Ungefilterten für Asthmatiker). Er hatte die Branche revolutioniert. Er hatte dem Wort »rauchen« einen neuen Sinn gegeben.
    War dies hier der Welten Dank für seine Taten?
    Er war eine Persönlichkeit, Weltveränderer und Celebrity in einem.
    Jetzt saß er in diesem Kellerloch fest und war ein Gefangener dieser Irren, die sich die »Volksfront für ein raucherfreies Amerika« nannten. VferA. Idioten! Er hasste Menschen dieses Schlags.
    All das Gerede über Gesundheitsschädlichkeit war doch ausgemachter Blödsinn. Propagandageschwätz milchbubihafter Körnerfresser und spargeldürrer Kleie-Anbeter.
    Herrje, was für ein Bullshit!
    Er selbst, Philip Emilio Norris, hatte sein ganzes Leben lang geraucht. Er hatte als lederjackenstarker Jugendlicher damit begonnen, es als Student kultiviert. Mit einer Zigarette im Mundwinkel hatten sie den Vietcong in den Arsch getreten und Amerikas Ehre verteidigt. Mit Nikotin und Koffein hatte er die Spitze eines mittelmäßigen Tabak-Ex und-Import-Geschäfts erklommen und die Firma dann auf Weltklasseniveau gebracht. Er rauchte vor dem Sex und danach (und manchmal auch dabei), und, bei Gott, er hatte niemals schlapp gemacht. Norris wusste es einfach: Rauchen war gesund! Die Werbekampagnen »Wir rauchen für Olympia« und »Kleinkinder atmen anders«, gekoppelt mit den Studien »Tabak und Talentförderung« sowie »Lernleistung zum Selberdrehen« (durchgeführt von namhaften pädagogischen Instituten), würden Neuland erschließen.
    Er war ein Menschenfreund!
    Punkt, aus!
    Und nun das hier!
    »Wir werden Sie heilen«, hatte einer der Irren gesagt. »Sie werden uns dankbar sein.«
    Einen Teufel werde ich, hatte Norris gedacht, aber der feuchte Knebel in seinem Mund hatte ihm das Recht auf freie Meinungsäußerung verwehrt. Oh, diese verfluchten Hunde.
    Was hatten sie bloß mit ihm vor?
    Wollten sie ihn bekehren? War es das?
    Nicht mit mir, grollte er trotzig und lauschte dem Scharren der Tiere in der Dunkelheit. Nein, nein, nein. Er würde ihnen die Zähne zeigen und sich ihnen widersetzen, was auch immer sie mit ihm vorhatten. Sie würden erfahren, was es hieß, sich mit ihm anzulegen.
    Am Ende würden die Körnerfresser in den Knast wandern und dort die Seife aufheben dürfen.
    Ja, der Gedanke gefiel ihm.
    Nur …
    Vorerst geschah nichts dergleichen.
    Das war etwas, was ihn ängstigte. Ein wenig nur, aber …
    Suchte niemand nach ihm? Was war mit der Öffentlichkeit? Seit mehr als vier Stunden hockte er in dieser Dunkelheit (glaubte er), und keine Menschenseele hatte sich mehr blicken lassen.
    Norris wurde nervös.
    Er war allein, einsam – und sauer, richtig sauer, weil er seit vier Stunden keine mehr hatte rauchen können.
    Verdammt, verdammt!
    Er seufzte.
    Musste sich eingestehen, dass man ihn überlistet hatte. Die Gedanken hallten in seinem Schädel, und was sie riefen, gefiel ihm ganz und gar nicht. Er, der mächtigste Mann der Tabakwarenbranche, war in der Hand militanter Nichtraucher. Norris fiel im Augenblick nichts ein, was schlimmer hätte sein können.
    Die guten Geister lebten im Rauch der Pfeifen, weil sie zu atmen begannen, wenn das Feuer die Gaben der Natur umarmte. Gräser und Sträucher wurden getrocknet. Manchmal auch Eulenfedern. Doch schon die Alten wussten davor zu warnen, dass man nichts Widernatürliches verbrennen sollte. Dann würden die bösen Geister im Rauch leben. Es gab Medizinmänner, die böse waren. Medizinmänner, die den Rauch beschworen. Auch davon wussten die Alten zu berichten.
     
    »Er hat sich kaum gewehrt.« Peter kaute Pinienkerne.
    »Er ist listig«, gab Faithful zu bedenken.
    Amelia Guttmundsdottier nickte zufrieden. Sie schaute aus dem großen Fenster hinaus auf den East River. Manhattan qualmte vor sich hin, ebenso die Williamsburg-Bridge und der Rest dieser nikotinverseuchten Stadt.
    Amelia und die anderen Mitglieder der VferA befanden sich in einem ausgedienten Lagergebäude im Hafengebiet von Brooklyn. Nach

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