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Nimmermehr

Nimmermehr

Titel: Nimmermehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Augen voll Enthusiasmus, und seine Worte zeugten von wilder Schwärmerei. Er war ein höchst belesener Mensch und gut darin, kontroverses Gedankengut zu diskutieren. Zudem war er schön anzuschauen mit seinen edlen Gesichtszügen, dem dunklen Haar und der stolzen Haltung. Den Blicken der anderen entging diese Sympathie keineswegs, was einen flüchtigen Besuch Graf Grünnes nach sich zog, der mich dezent tadelte und mir die Pflicht ins Gedächtnis rief, dem Kaiser allzeit zur Seite zu stehen.
    Bald reiste Grünne wieder ab, den jungen Imre Hunyady, auf den Aufgaben in der Heimat warteten, im Schlepptau. Dem Kaiser missfiel es offenbar, wenn sich die Aufmerksamkeit seiner Gemahlin zu sehr von seiner Person entfernte.
    Trotz der Enttäuschung über die unverhoffte Abkommandierung des jungen Grafen gehörte die Einsamkeit der Insel wieder mir allein. Was hätte wohltuender sein können?
    Ich unternahm lange Spaziergänge, durchstreifte die Wälder und Wiesen, kehrte in kleinen Gaststätten ein und fühlte mich frei. Es geschah während einer dieser Wanderungen, dass ich einem Mann begegnete, der für mein weiteres Leben wegweisend sein sollte.
    Ich schlenderte auf einem Pfad entlang, der sich an den steilen Klippen der Ostküste Korfus nach Norden schlängelte. Es war heiß, und das Rauschen des Meeres vermischte sich mit dem lauten Gesang der Zikaden. Meine Gedanken wanderten über die See nach Griechenland, zu den alten Göttern, die sich huldvoll vom Olymp am Leiden der Menschen ergötzten. In meiner Vorstellung nahm der Krieger Achill die Gestalt Imre Hunyadys an, was mich die eigene Imagination belächeln ließ. Da wurde ich der Gestalt gewahr, die an einer der Klippen stand.
    Innehaltend betrachtete ich den Mann, dessen Rücken mir zugewandt war und dessen Stiefelspitzen fast den Rand des Abgrunds berührten. Er schien versunken zu sein in den Anblick der Brandung tief unter ihm. Er trug einen eleganten Gehrock und schien mir gut gesittet zu sein. Mich gerade noch fragend, weshalb er dort am Abgrund stand, bemerkte ich, dass er einen Schritt nach vorn zu machen gedachte. Erschrocken schrie ich auf, weil ich seine Absicht zu erkennen glaubte.
    Der Mann drehte sich langsam um und blickte mich erstaunt an. Ich lief auf ihn zu und tadelte ihn aufgeregt. Er habe mir einen furchtbaren Schrecken eingejagt. Daraufhin entschuldigte er sich, jedoch ohne seinen Platz an der Klippe zu verlassen. Wütend erkundigte ich mich nach seinem Namen, ohne mich selbst vorzustellen.
    Er lächelte spöttisch. Namen sind Staub, gab er zur Antwort. Erschrocken wich ich zurück, als er sich mir näherte. Seine braunen Augen musterten mich neugierig. Der dunkle Teint und die ernsten Züge ließen ihn gleichermaßen verwegen und elegant erscheinen. Doch nennt mich Vathek. Er ließ eine Verbeugung erkennen, die zu oberflächlich ausfiel, um wirklich höflich zu sein. Ich habe Euch einiges mitzuteilen, sagte er, und ohne den Blick von mir abzuwenden, fügte er spöttisch hinzu: Kaiserin.
     
    Die Ausstrahlung des Fremden nahm mich augenblicklich gefangen. Ein einziger Blick in seine Augen ließ mich glauben, ihm bereits früher einmal begegnet zu sein. Namen sind Staub, hatte er gesagt. Die Erinnerung an die Träume und jenes Verlangen beflügelte meinen Geist, als er diese Worte sprach.
    Der Name Vathek ließ mich an arabische Nächte und märchenhafte Gefilde des Orients denken. Er mochte etwa vierzig Jahre alt sein. Seine Stimme war es, die mich in ihren Bann zog. Leise und bestimmend, süß wie Honig und zugleich herablassend und arrogant.
    Er habe mir einiges mitzuteilen, doch dies könne er erst zu einem späteren Zeitpunkt und an einem – wie sagte er doch? – intimeren Ort. Er benutzte tatsächlich diese Vokabel. Ohne eine Antwort meinerseits abzuwarten, verabschiedete er sich und ging seines Weges. Seltsamerweise tat ich nichts, um ihn daran zu hindern. Jungmädchenhaft stand ich da und gaffte ihm hinterher. Eine Szene, die sich wahrlich als einer Charlotte Brontë würdig erwiesen hätte.
    Doch verblieb mir kaum Zeit, mich über die mysteriöse Begegnung an den Klippen zu wundern. Bereits in der folgenden Nacht schreckte ich aus einem wüsten Traum auf und begann in mein Kissen zu weinen. Mir träumte, dass jene bleiche Göttin sich an meinem Blut ergötzt habe. Wenngleich mich dieselben lustvollen Empfindungen bestürmten, so vermischten sich diese nun mit tiefem Ekel. Ich spürte die Kraftlosigkeit meines Körpers und dachte schon,

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