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Nimmermehr

Nimmermehr

Titel: Nimmermehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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dachte ich auch tagsüber an jene wunderschöne Göttin und harrte ihrer nächtlichen Wiederkehr in meinen Träumen.
     
    Ihren Äußerungen entnehme ich, dass Ihnen diese Geschichte bekannt vorkommt. Natürlich habe auch ich Kenntnis von einigen der orientalischen Märchen. Mein Vater erzählte mir einst viele dieser Geschichten, und ich ließ mich bereitwillig von ihnen einlullen. Jedoch – und da werden Sie mir wohl nicht widersprechen – eignen sich manche der alten Erzählungen kaum dazu, ein Kind in den Schlaf zu wiegen.
    Doch lassen Sie mich fortfahren.
    Schließlich wollen Sie erfahren, wie meine Geschichte endet.
     
    Nach meinem Aufenthalt auf Madeira traf ich den Kaiser in Triest, ließ mich nach sechsmonatiger Trennung umarmen und freute mich, meinerseits die Kinder in die Arme schließen zu können. Doch die Rückkehr nach Wien brachte die Fieber- und Hustenanfälle zurück. Außenminister Rechberg beklagte dem Kaiser gegenüber meinen tiefen Abscheu vor Nahrung. Ich äße nichts mehr, und meine Kräfte erschöpften sich umso mehr, als der Husten andauere, und starke Schmerzen raubten mir den Schlaf. Meine Umgebung nahm dergleichen interessiert zur Kenntnis.
    Kurze Zeit nach meiner Rückkehr kam es zu einem Zusammenbruch, nach welchem dem Kaiser die Schlafzimmertür verschlossen blieb. Allein mit meinen lustvollen Träumen verbrachte ich die Sommernächte. Denn Scheherazade kehrte stets zurück.
    Im Juni stellte Dr. Skoda betrübt und aufgeregt eine galoppierende Lungenschwindsucht bei mir fest und ordnete als letzte Hoffnung einen Aufenthalt auf Korfu an. Der Kaiser begleitete mich bis nach Miramar bei Triest, und ganz Wien beklagte meine erneute Abreise. Die Menschen bedauerten den armen Kaiser, der mich so abgöttisch verehrte und liebte, dass es ihn schmerzte, mir Lebwohl zu sagen.
    Was wusste denn schon der Pöbel?
    Der Kaiser, mein mich so innig liebender »Franzi«, hatte immerhin noch seine Liebschaften. Die diesbezüglichen Gerüchte machten in den Kaffeehäusern schon seit Monaten die Runde. Für meine Trotzhaltung der Erzherzogin gegenüber hatte niemand Verständnis, für die Liebesabenteuer des Kaisers dafür umso mehr. Da Vernunftehen die Regel waren, zur Aufrechterhaltung makelloser Stammbäume unbedingt notwendig, bestanden üblicherweise Liebesaffären neben diesen Ehen. Jede Ehefrau wusste davon, und wenngleich sie sich revanchieren konnte, wurde ihr nicht das gleiche Mitgefühl entgegengebracht.
    Als ich auf dem Schiff stand und die grüne Insel sich näherte, dachte ich an die zurückliegenden Wochen und die Träume. Der Kaiser hatte mir niemals jenes Gefühl der Lust vermitteln können, welches meine Scheherazade hervorzauberte. Der Kaiser, wenngleich von klein auf in Liebesdingen geschult (es gehörte zur Erziehung der Habsburger, im Alter von zwölf Jahren von einer erfahrenen Professionellen angelernt zu werden), agierte während der geschlechtlichen Vereinigung leidenschaftslos und pflichtbewusst, gerade so, wie er sich auch sonst zu verhalten pflegte. Romantische Sinnlichkeit, die kaiserliche Ehe betreffend, existierte nur in den Köpfen des Pöbels.
    Doch als ich die grüne Küste Korfus erblickte, war mir, als fege die salzige Brise der mediterranen See all jene misslaunigen Gedanken hinfort. In meinem Gepäck befanden sich einige Werke Heines und Lamartines, wie auch Rousseaus »Confessions«, deren Lektüre mich auf andere Gedanken bringen sollte. Dem Kaiser und der Erzherzogin missfiel es sichtlich, dass sich die Kaiserin mit derartigen Ideen befasste. Rousseau war ihm zu reaktionär, Shakespeare zu dramatisch und Heine schlichtweg zu jüdisch. Doch hier würde ich tun können, was mir beliebte.
    Unterkunft bezog ich in der Villa des Grafen Carvahel, des reichsten Grundbesitzers der Insel. Zu meinen Begleitern gehörte neben der üblichen Gefolgschaft erneut jener fesche Graf Hunyady, der mir bereits während der Überfahrt eindeutige Avancen machte. Die junge Marie Festetics, die mir von all den Hofdamen am meisten ans Herz gewachsen war, zählte ebenso zu meiner Begleitung wie der Graf Mitrovsky, dessen Aufgabe es war, dem Berater des Kaisers, Graf Grünne, permanent Bericht über der Kaiserin Verfassung zu erstatten. Die Tentakel der Wiener Hofburg machten demnach nicht einmal vor der ionischen See und ihren Inseln halt.
    In den ersten Tagen meines Aufenthalts verbrachte ich viele Stunden mit Imre Hunyady. Wenn er sich meiner Gegenwart bewusst war, dann waren seine

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