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Nimmermehr

Nimmermehr

Titel: Nimmermehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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verspürt.
    Als ich zitternd und ohne Orientierung erwachte, stellte ich überrascht fest, dass meine Monatsblutung bereits eingesetzt hatte. Verwirrt sank ich ins Kissen zurück. In den folgenden Nächten tauchte die wunderschöne Frauengestalt erneut in meinen Träumen auf. Ähnlich sinnlich wie im ersten Traum, berührte sie mich jedes Mal und ließ mich mit einem lustvollen Schaudern erwachen. Der Kaiser bemerkte indes nichts von diesen nächtlichen Phantasien. Ruhig schlummernd lag er neben mir und wunderte sich allenfalls über die Blässe meiner Haut und die zunehmende Erschöpfung und Appetitlosigkeit, die mir tagsüber zu schaffen machten.
    Dr. Seeburger tadelte mich, weil er die Ursache für die Krankheit in den seiner Meinung nach sinnlosen Hungerkuren und übermäßig belastenden allmorgendlichen Turnübungen sah. Nachdem ich auch in den folgenden Wochen immer weniger Nahrung zu mir nahm, diagnostizierte er Bleichsucht und allgemeine körperliche Erschöpfung. Darüber hinaus wurde der Lungenspezialist Dr. Skoda konsultiert, weil zu den herkömmlichen Symptomen noch starker Husten hinzukam. Der Kaiser und die Ärzte waren sich einig, dass die andauernden Nervenkrisen und die selbstauferlegte Disziplinierung meines Körpers eine lebensgefährliche Krankheit hervorgerufen hatten, deren Art ihnen jedoch vollends unklar war. Man entschied sich am Ende, dass ein wärmeres Klima hilfreich sein würde.
    So kam es, dass ich im November 1860 nach Madeira aufbrach, um endlich zu genesen. Die Einsamkeit in der gemieteten Villa am Meer tat den Nerven gut. Ab und an trafen Kuriere mit Briefen vom Kaiser und meinen Verwandten aus Bayern ein – und jeder der Kuriere beklagte die mangelnde Abwechslung auf der Insel. Niemand konnte verstehen, dass ich mich gerade danach so sehr gesehnt hatte. Es war, als sei ich nach Possenhofen zurückgekehrt. Den größten Teil des Tages verbrachte ich mit meinen Tieren. Es gab Ponys, Papageien und einige große Hunde. Ich spielte Mandoline und Karten mit meiner Schwester Helene und Lily Hunyady. Letztere hatte einen Bruder, den feschen Grafen Imre Hunyady, einen ungarischen Edelmann, der mich umschwärmte, als sei ich das Licht und er die Motte. Es tat gut, in den Genuss dieser ehrlichen Verehrung zu kommen. Doch blieb es bei den vielsinnigen Gesprächen, da mir nicht an einer Affäre gelegen war.
    Diese Distanz zum Hof und die Nähe zur Natur änderten allerdings meinen Gesundheitszustand nur unwesentlich. Zwar wurde die Haut rosiger, und der Appetit steigerte sich ein wenig, doch blieben die Hustenanfälle und die Erschöpfung.
    Selbstredend berichtete ich keiner Menschenseele von den Träumen, die mich nach wie vor heimsuchten. Da mich ohnehin viele für seltsam hielten und sich über meine Neigungen mokierten, wäre es nicht klug gewesen, sich jemandem anzuvertrauen. Also versuchte ich, jene rätselhafte Frauengestalt allein zu deuten. Nennt mich Scheherazade. Doch entgegen dem Bildnis, welches ich von der berühmten Erzählerin des Kalifen hatte, wies diese Gestalt Züge auf, die ich schon beinahe als grausam bezeichnen konnte. Die Fahrt zur Insel hatte ich mit der Lektüre von Rider Haggards Afrikaabenteuer »Sie« verbracht, und manchmal schien mir die Traumgestalt der grausamen Dschungelgöttin aus der Geschichte höchst ähnlich zu sein.
    Im wachen Zustand mochte ich mir anfangs kaum eingestehen, wie sehr mich der weibliche Körper in Verzückung versetzt hatte. Scheherazades kalte Brüste, die sich gegen meinen Bauch drückten, und die Berührungen ihrer Zunge ließen mich wollüstig erschauern. Sie war eine Schönheit, so edel und anmutig, dass es einem schier den Atem rauben konnte. Sie gaukelte mir flimmernde Bilder vor. Mir war, als würde ich einer Festung im Wüstensand gewahr. Wesen, die ich nur schemenhaft erkannte und die mich gleichsam ängstigten, tummelten sich darin. Dann glaubte ich, durch einen dichten Dschungel zu irren, mit lauernden Tieren in der Dunkelheit, um mich kurz darauf in der Gluthitze einer Tiefebene zu befinden, die Pyramiden und das starre Antlitz einer Sphinx bewundernd. Weit fort flogen wir, bis an einen Ort, den sie Zmargad nannte, wo Schlachten tobten zwischen allen Arten von Engeln.
    Nach jedem Erwachen stellte ich fest, dass die Blutungen erneut eingesetzt hatten. Es gab keine Regelmäßigkeit mehr, und ich suchte in den schwer durchlittenen Schwangerschaften nach einem etwaigen Grund für die Blutflecken auf den Bettlaken. Immer öfter

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