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Nimmermehr

Nimmermehr

Titel: Nimmermehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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folgend, ohne je fündig zu werden. Wie ein flüchtiger Schatten entwand sie sich seinem Griff, entschlüpfte in immer entferntere Regionen, ließ neue Mythen entstehen, suchte neue Völker heim und verbreitete ihre Kinder über die Welt.
    Ob er mir die Wahrheit erzählte? Die Welt ist eine Lügnerin, und manchmal ist sie mehr als nur Lug und Trug.
     
    Eine schöne Geschichte, nicht wahr?!
    Doch sehe ich Ihren Gesichtern an, dass noch weitere Fragen Sie quälen.
    Geduld, meine Zuhörer. Sicherlich werden Sie sich fragen, weshalb ich all dies so bereitwillig akzeptiert habe. Ein fremder Orientale, der plötzlich in mein Leben tritt und behauptet, dass ich mich vom Blut anderer Menschen ernähren müsse, um zu überleben. Glaubt man einer solchen Person? Oder zeugt es von Irrsinn, sich auf jenes Spiel einzulassen?
    Ihrer Betroffenheit entnehme ich, dass auch Sie mit dieser Vorstellung zu kämpfen haben. In eben diesem Augenblick stehen Sie vor der gleichen Gabelung des Weges. Und glauben Sie mir, auch Sie werden denjenigen Pfad wählen, der noch unbegangen ist. Doch wie akzeptiert man das Unbekannte? Neugierig? Wütend? Oder abwartend? Hörten Sie nicht auch leise Stimmen, die in Ihren Gedanken süße Lieder sangen? Natürlich taten Sie es. Jene unserer Art besitzen die Kraft, die Gedanken anderer ihr Eigen zu machen. Wir können uns dort bewegen wie Fische im Ozean und die Menschen für kurze Zeit Dinge tun lassen, deren sie sich kaum bewusst sind. Wir können den Geist einlullen, um ihn bereit zu machen, jene Dinge zu akzeptieren, denen er sich sonst verwehren würde.
    Dies tat Vathek, als er mich aufklärte. Unter Ausblendung all dieser seltsamen Vorkommnisse musste ich mir bereits damals eingestehen, dass mich dieser Pascha anzog. Er hatte das Gebaren eines gefallenen Engels. Carathis hatte von meinem Blut getrunken, und in jener Nacht wäre ich gestorben, hätte nicht Vathek mir von seinem Blut zu trinken gegeben. Ich bin von einem gefallenen Engel gerettet worden. Sie müssen wissen, dass wir uns auf diese Weise vermehren. Kostet ein Mensch vom warmen Blut eines Wiedergängers, so verwandelt er sich selbst in ein ebensolches Wesen.
    Um alle Zweifel zu beseitigen, meine Zuhörer. Auch Sie gehören nun zu unserer Gattung. Sie alle sind Wiedergänger und werden Blut trinken. Sie werden sich am Lebenssaft Ihrer Mitmenschen laben und noch über diese Erde wandeln, wenn all Ihre Lieben zu Staub zerfallen sind. Ein Schicksal, mit dem man sich erst einmal anfreunden muss.
    Akzeptieren Sie es.
    Einen anderen Weg gibt es nicht. Für keinen von uns.
     
    Doch ich schweife ab.
    Was ich Sie alle zu entschuldigen bitte.
    Ich hoffe, dass Sie auch weiterhin geduldig meinen Worten lauschen. Kehren wir also erneut zurück an die Gestade der mediterranen See. Zu jenen Tagen, die länger und länger wurden.
    Keiner meiner Begleiter bemerkte eine Veränderung in meinem Verhalten. Helene, meine Schwester, und Marie Festetics hatten den Pascha kaum zu Gesicht bekommen. Regelmäßig trafen besorgte Briefe des Kaisers ein, der sich nach meinem Wohlbefinden erkundigte und darlegte, wie sehr er mich vermisse. Unnötig zu sagen, dass ich ihn nicht vermisste. Die Kinder jedoch misste ich schmerzlich. Wie hätte ich ahnen können, dass der Kontakt zu meinen Kleinen schon bald verderbt sein würde? Doch es gab weitere Nachrichten. Österreich musste die Lombardei, seine ehemals reichste Provinz, abtreten. In Ungarn drohte erneut eine Revolution. Die Lage meiner kleinen Schwester Marie in Neapel verschlechterte sich. Mit ihrem schwachsinnigen Gatten zog sie sich in die Festung von Gaete zurück, ihre letzte Zuflucht. Die Welt, die mir so weit entfernt zu sein schien, zerfiel langsam, doch stetig, in Stücke.
    Doch sollte ich meinem Bericht nicht vorgreifen.
    Ich sollte Ihnen von Eléni Gúrnia berichten, einer jungen Wirtstochter aus Dragotiná. Die Kleine war eine Schönheit, die ich während einer Wanderung im Süden der Insel traf. Ihre sonnengebräunte Haut roch nach frischen Kräutern, und ihre festen Brüste zeichneten sich unter dem Kleid ab. Sie hatte bemerkenswert dunkle Augen und dichtes lockiges Haar. Wir trafen sie auf einem schmalen Pfad, während wir auf das Dorf Dragotiná zuwanderten. Sie habe Zitronen in einem nahen Hain gepflückt, erklärte sie und bot uns die herrlichen Früchte und die Gastfreundschaft ihrer Eltern an. Selbst Vathek war überrascht, als ich sie unvermittelt anfiel. Ich kann mich noch erinnern, ihr ein

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