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Nimmermehr

Nimmermehr

Titel: Nimmermehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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hatte.
    »Du hast geträumt.«
    »Das hat nichts mit dem zu tun, was ich gesehen habe.«
    »Nein?«
    Entschieden sagte ich: »Nein!«
    »Wenn du meinst.«
    Es war gut, dass Gretas Eltern diese Unterhaltung nicht mit anhören mussten.
    Hans Grillparzer war in den Wald gegangen, um einen Weihnachtsbaum zu schlagen, und Gretas Mutter war nach Mayen gefahren, um die letzten Besorgungen für die Feiertage hinter sich zu bringen. Während des Abendessens am Tag meiner Ankunft hatte mich Hans Grillparzer über die Werkstatt meines Vaters ausgefragt und mir allerlei Dinge erzählt, die mich nicht wirklich interessiert hatten.
    Die Restaurationsarbeiten an den Häusern hatten den ganzen Sommer in Anspruch genommen. Geduldig hörte ich mir Abhandlungen über die Verschalung der Dächer an, darüber, dass alles mit giftfreien Lösungen gegen Schädlinge behandelt worden war und die drei Schieferdächer neu gedeckt worden waren. Gretas Mutter beschrieb den eigentlichen Burgherrn, Robert Graf zu Metzengerstein, in dessen Privatbesitz sich die Burg befindet. Eine Flut an Informationen stürzte auf mich ein, und geduldig ließ ich es geschehen, während meine Gedanken abwechselnd nach Köln zu meinen Eltern wanderten und zu der bangen Frage, was wohl hinter diesem geheimnisvollen Termin, der die Anreise meines Vaters verhindert hatte, steckte.
    Das Frühstück mit Greta allein einnehmen zu können, war dagegen eine wahre Wohltat.
    »Die Gestalt, mit der ich angeblich gesprochen habe«, hakte sie neugierig nach, »du hast gesagt, dass er einen silbernen Harnisch trug?« Die Sonne war draußen durch die Wolkendecke gebrochen und ließ den Staub in der Luft vor unseren Gesichtern sanfte Tänze aufführen.
    »Ja, es sah so aus.«
    Immerhin wusste ich jetzt, was ein Harnisch ist.
    »Kennst du die Geschichte der armen Agnes?«
    Noch eine Geschichte also. »Nein.«
    »Aber ich habe dir doch das Büchlein mitgegeben.«
    »Metzengerstein, ja.« Daran hatte ich natürlich auch schon gedacht. »Ich habe aber kaum mehr darin gelesen. Ich war hundemüde. Eigentlich habe ich nur das Vorwort deiner Großmutter gelesen und das Inhaltsverzeichnis.«
    »Du bist dir ganz sicher?«
    »Ja.«
    »Es befindet sich eine Geschichte darin«, sagte Greta geheimnisvoll, »die du gelesen haben musst. Es ist die Geschichte vom durchlöcherten Harnisch. Sie beginnt auf Seite vierundzwanzig.« Niemand konnte behaupten, dass sie das Büchlein nicht auswendig kannte.
    »Warum sollte ich gerade diese Geschichte gelesen haben?«
    »Weil ich bei der Gestalt, die du angeblich dort unten im Burghof gesehen hast, an die arme Agnes denken muss. Großmutter hat am Ende ihrer kurzen Erzählung geschrieben, dass man die arme Agnes noch immer des Nachts durch die Burg streifen sieht.«
    »Eine Geistergeschichte also?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich.«
    »Willst du sie mir erzählen?«
    Sie schaute zum Fenster hinaus, wo sich die Sonnenstrahlen silbrig glitzernd in dem Schnee brachen, der auf den Baumwipfeln lag. »Wie wär’s, wenn ich sie dir auf einem Spaziergang erzähle?«
    »Keine schlechte Idee«, willigte ich ein.
    Wir schlüpften in warme Sachen und gingen nach draußen.
    Am Morgen bereits hatte der Schneefall nachgelassen. Klirrend kalt war es geworden, und als wir in den Burghof hinaustraten, da bildeten sich augenblicklich nebelhafte Wölkchen vor unseren Mündern.
    »Im fünfzehnten Jahrhundert lebte ein Graf auf dieser Burg«, begann Greta zu erzählen, während wir irgendwie unschlüssig im Burghof herumstanden. »Ein Graf, der seine hübsche Tochter Agnes schon im Kindesalter dem Edelmann von Braunsberg als Gattin zugesprochen hatte.
    Als dann die Zeit der Verlobung gekommen war, stellte sich aber heraus, dass die beiden überhaupt nicht zueinanderpassten.«
    »Geht die Geschichte gut aus?«
    Greta sah mich nur an. »Agnes war liebreizend und gutmütig. Der Graf von Braunsberg hingegen war ein hartherziger und ungerechter Mann. Voll der wilden Verzweiflung bat Agnes ihren Vater, die Vermählung abzusagen, doch der störrische Burgherr ließ sich nicht von seinem Wort, das er denen zu Braunsberg einst gegeben hatte, abbringen.«
    Ich scharrte mit dem Fuß im Schnee. An jener Stelle, an der vergangene Nacht die beiden Gestalten gestanden hatten. Dort, wo ich die beiden Gestalten vermutlich gesehen hatte, verbesserte ich mich insgeheim. »Die Verlobung fand also statt.«
    »Genau dort drüben, im Rittersaal.« Greta deutete zum Haus Kempenich

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