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Nimmerzwerg

Nimmerzwerg

Titel: Nimmerzwerg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Aster
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müssen. Natürlich hätte er sich auch einfach ein Bein brechen können. Das Ergebnis war in früheren Zeitaltern stets das Gleiche gewesen: Der Zwerg konnte es sich auf einem weichen Sumpfgraslager bequem machen und wurde mit Hilfe einiger Humpen fern jeder Arbeit wieder aufgepäppelt.
    Aber das war lange her.
    Inzwischen hatte der vorübergehende Verwalter Trümmerboldt verfügt, dass weder Beinbrüche noch Grubenhusten einen Zwerg notwendigerweise von der Arbeit abhielten. Seiner Definition zufolge war Krankheit lediglich ein Ausdruck von Arbeitsunwilligkeit.
    Und derlei würde er nicht hinnehmen. Denn zum einen hatten die Götter das Eherne Volk dazu erschaffen, dass es arbeitete, und zum anderen verdarben faule Zwerge die Goldbilanz.
    Und Götter und Goldbilanz waren in den Gängen des Ehernen Imperiums die einzigen Dinge von Belang. Wenn ein Zwerg nicht an das eine glaubte, dann glaubte er zumindest an das andere.
    Und darum hatte Trümmerboldt inzwischen innerhalb weniger Schichten statt der Fieberhöhlen sogenannte Siechenstollen einrichten lassen, in denen ausschließlich kranke Zwerge arbeiteten. Krugk Trümmerboldt ließ ihnen die Wahl: entweder Siechenstollen oder Felsverlies. Die Entscheidung lag ganz bei ihnen, und für gewöhnlich wählten sie die Stollen. Hier schürften also beinlose Zwerge in Räderstühlen, während blinde Zwerge auf ihren Helmen herumhämmerten. In den Siechenstollen waren bald schon sämtliche zwergische Krankheiten vertreten, und von ihren Wänden hallte die ganze Schicht über ein vielstimmiger schmutziger Husten wider. Alle erdenklichen Ausdrücke zwergischer Arbeitsunwilligkeit, von Anthrazitallergie bis Porphyrpest, gediehen hier unten prächtig und wurden großzügig weitergegeben.
    In den schweren Stahltüren, welche die Siechenstollen vom Rest der Gänge trennten, gab es lediglich Öffnungen für Grubenwagen. Hinein fuhren Bier, Pilzbrot, Leuchtkäfer und Spitzhacken. Heraus kamen Gold, Eisen und Silber sowie von Zeit zu Zeit ein Dahingesiechter.
    Die Heilkundigen des gesamten Imperiums, Fleischmetze, Knochenflicker und Kieferbieger, erhielten die Weisung, bei kranken Zwergen lediglich den Hammerarm wieder instand zu setzen und sie umgehend in die Siechenstollen hinabzuschicken.
    Die einstigen Fieberhöhlen standen deswegen inzwischen beinahe leer. Es wurde weder geheilt noch behandelt. Kranke Zwerge husteten heimlich, und wenn einer sich den rechten Arm brach, dann nahm er den Hammer eilig in die Linke, um nicht in der Finsternis der Seuchensammlung zu landen.
    Dieses Verhalten wiederum machte bald die meisten Heilkundigen arbeitslos. Zumindest, bis Trümmerboldt ihnen eine Spitzhacke in die Hand drücken und sie in die Stollen schicken ließ…
    Der emsige Tanz ihrer Spitzhacken, zusammen mit denen der Kranken, tat der Goldstatistik des Imperiums zunächst außerordentlich gut.
    Das Eherne Volk hustete heimlich, bekam ein Extrafässchen Bier und jubelte laut, um nicht den silbernen Schlagstock der Menhire zu spüren zu bekommen.
     
     
    Obwohl die Fieberhöhlen inzwischen so gut wie leer standen, begab sich Krugk Trümmerboldt am Ende dieser Schicht in Begleitung zweier Leibwachen dorthin hinab. Der Grund dafür war der letzte dort verbliebene Zwerg, der vermutlich der Einzige war, der ihm etwas über Harrm Blutklump erzählen konnte. Dieser Zwerg wusste womöglich mehr über den unsterblichen Wächter der Hohen Höhle als jeder andere: Bims Funkenbruch, sein ehemaliger rechter Hammer. Der einzige Grund, warum dieser nicht in den Siechenstollen gelandet war, bestand darin, dass der letzte wahrhaftige Verwalter Funkenbruch vor zweihundert Jahren in den Stand eines Erzveterans erhoben hatte…
    Krugk Trümmerboldt plante für eine weitere Verbesserung der Goldbilanz zwar bereits seit Längerem die Einrichtung spezieller Veteranenwerkstätten, doch da er sich damit noch etwas Zeit gelassen hatte, lag Bims Funkenbruch noch immer auf seinem Sumpfgraslager in einer der verlassenen Fieberhöhlen. Und aus diesem Grunde wusste Trümmerboldt genau, wo er den einstigen rechten Hammer des Wächters finden würde.
    Er hatte sonderbare Geschichten über ihn gehört. Beispielsweise hieß es, dass Funkenbruch seit dreihundert Jahren kein Wort gesprochen hatte. Doch das scherte den provisorischen Herrscher der Zwerge nicht. Er kannte Mittel und Wege, Steine weinen zu lassen. Und wenn er mit seiner nachdrücklichen Art selbst aus einer leeren Börse noch Gold herauspressen konnte, dann

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