Nimmerzwerg
blitzte auf.
Dann wandte er sich wieder den anderen Piraten zu.
„Entwirrt ihre Ketten und schafft sie auf den Markt.“ Nach einem kurzen Blick auf die zerschundenen und von Peitschenstriemen übersäten Zwerge fügte er noch hinzu: „Und hört gefälligst auf, meine Ware unnötig zu beschädigen!“
Mit finsterer Miene drehte er sich um und stakste mit der Ratte auf der Schulter leise fluchend und mit klackendem Eisenbein wieder zurück in Richtung Schiff.
In Begleitung zweier Menhire in voller Rüstung, mit schwarzen Visieren und klingenbewehrten Schulterstücken erreichte der nur bedingt rechtmäßige Herrscher der Zwerge schließlich die Fieberhöhlen. In den meisten von ihnen herrschte Dunkelheit. Seit Trümmerboldt beinahe sämtliche Knochenflicker und Kieferbieger in die Stollen geschickt hatte, waren die Höhlen nahezu leer.
Nur aus einer einzigen Höhle fiel spärlicher Lichtschein hinaus in den Gang. Es war die letzte noch in Gebrauch befindliche Fieberhöhle. Krugk Trümmerboldt durchlief ein wohliger Schauer. Hier würde er die letzte lebende Verbindung zu Harrm Blutklump finden. Den einzigen möglichen Schlüssel zu den Rätseln der Wächterebene: Bims Funkenbruch.
Entschlossen schritt der provisorische Herr der Zwerge, seine waffenstrotzende Wache im Gefolge, auf das Licht zu.
Als Trümmerboldt und seine Leibwächter die Höhle betraten, fuhr der Patient von seinem Sumpfgraslager empor und starrte ihnen mit schreckensgeweiteten Augen entgegen.
Funkenbruchs Blick huschte von einem zum anderen, dann flatterten seine Lider, und er sank seufzend wieder auf sein Lager zurück. Er war der einzige Patient, der in der Fieberhöhle verblieben war. Alle anderen Lager waren leer.
Trümmerboldt bedeutete seinen Männern, am Eingang der Höhle zu warten, ging zu dem fiebrigen Funkenbruch hinüber, beugte sich zu ihm hinab und musterte ihn eingehend.
Bims Funkenbruch bot einen jämmerlichen Anblick. Der schmalbrüstige Zwerg zitterte am ganzen Leib. Er hatte kaum Fleisch auf den Rippen und schien nicht mehr in der Lage, überhaupt noch einen Hammer zu halten. Seine Haut war bleich wie die eines Grottenolms, und sein blasser roter Bart gelichtet und spärlich. Er wirkte kaum noch wie ein Bart, sondern nur wie ein paar dünne, verfilzte Haarsträhnen.
Am Fußende seines Lagers standen einige Krüge und ein halb leeres Fässchen Betäubungsbier. Am Kopfende hing an einem rostigen Haken Bims Funkenbruchs Helm. Und der Staub darauf sprach eine deutliche Sprache. Er war lange nicht mehr getragen worden.
Bims Funkenbruch wirkte geradezu räudig. Trümmerboldt fiel es schwer, in ihm überhaupt noch einen Zwerg zu erkennen.
Neben dem Lager brannte eine kleine Öllampe, in deren flackerndem Widerschein der kalte Schweiß auf Funkenbruchs Stirn glänzte. Neben der Öllampe stand eine Schale mit glimmendem Räucherkraut { * } , dessen Rauch für gewöhnlich üble Gerüche vertreiben sollte. In diesem Fall gelang es ihm jedoch nicht. Ein schwerer Gestank nach altem Schweiß und fortschreitender Krankheit lag über der Höhle.
Und Trümmerboldt roch noch etwas anderes: Angst. Pure, unverfälschte zwergische Angst.
Trümmerboldt sog die Luft durch die Nase ein und schnupperte. Wenn er einen Geruch kannte, dann war es dieser. Er war die Grundlage seines ganzen Geschäfts. Die hohe Kunst der Schutzgolderpressung beruhte auf nichts anderem. Wie sehr man einem Zwerg auch drohen, ihm den Helm verbeulen und den Bart verknoten mochte, am Ende zählte, wenn man ihn erpressen wollte, einzig das Maß seiner Angst. Und das abzuschätzen hatte Trümmerboldt über die Jahre gelernt. Eine Fähigkeit, die ihm auch bei der Ausübung seiner Pflichten als provisorischer Herrscher zugute kam.
Wenn eines also sicher war, dann, dass Funkenbruch Angst hatte. Die Furcht strömte ihm aus allen Poren, und er roch beinahe wie ein ganzes Dutzend verängstigter Zwerge.
Eine solch konzentrierte, vollkommene Furcht hatte Trümmerboldt noch nie wahrgenommen. Und dabei roch sie nicht einmal frisch. Der Angstschweiß Funkenbruchs freilich war frisch, sein Ursprung aber, die Wurzeln seiner Furcht, schienen weit in der Vergangenheit zu liegen, wie Trümmerboldts feine, angstgeschulte Nase ihm verriet.
Was aber mochte der Ursprung dieser Angst sein? Wovor fürchtete sich Bims Funkenbruch?
Trümmerboldt blickte sich um.
Doch die Fieberhöhle war nahezu leer. Abgesehen von dem panischen Patienten sah er im spärlichen Licht der Öllampe
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