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Nimmerzwerg

Nimmerzwerg

Titel: Nimmerzwerg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Aster
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lediglich ein Dutzend unbenutzter Lager und karges Mobiliar. Am anderen Ende der Höhle stand neben einer niedrigen Tür ein steinerner Schrank, daneben ein alter Starkbiertropf und ein rostiger Räderstuhl. Doch da war nichts, womit man einen Zwerg aufschneiden oder ihm den Bart hätte amputieren können. Funkenbruchs Angst war also vollkommen unbegründet.
    Nicht einmal die Schatten, die im Licht der Öllampe an den Wänden tanzten, hatten auch nur etwas entfernt Furchteinflößendes.
    Stirnrunzelnd blickte Trümmerboldt den Bettlägerigen an.
    Da erklang plötzlich aus dem hinteren Teil der Höhle eine Stimme: „Er war schon so, als er einst hierhergekommen ist.“
    Aus der niedrigen Tür trat ein untersetzter alter Zwerg, der bedächtig auf Trümmerboldt zugeschlurft kam. Er trug ein weiß getünchtes Lederwams, und an seinem Gurt baumelten verschiedene Instrumente { * } . Seinen Bart hatte er, wie es bei den Heilkundigen üblich war, über die Schulter geworfen und an zwei auf dem Rücken befindlichen Eisenringen verknotet, damit er ihn nicht bei der Arbeit störte. Seinen ebenfalls weißen Helm, an dem eine komplizierte, hinunterklappbare Vorrichtung mit geschliffenen Augengläsern und Kerzenhaltern angebracht war, zierte ein roter Hammer. Dieser wies den Träger als Mitglied der Zunft der Heilkundigen aus, wodurch er vor allem das Privileg errang, Bier mit sonst verbotenen Kräutern anzureichern und zu Heilzwecken auszuschenken.
    Misstrauisch musterte Trümmerboldt den näher kommenden Knochenflicker.
    „Inzwischen sind es beinahe zweihundert Jahre“, sagte dieser, als er das Krankenlager erreicht hatte. Er zog einen Schwamm aus seiner Gürteltasche und tupfte Funkenbruch den Schweiß von der Stirn. Dann wandte er sich wieder Trümmerboldt zu: „Seit er hier ist, hat er Angst. Vor Leuchtkäfern, Maschinen und Gerätschaften, vor der Dunkelheit – eigentlich vor allem. Es ist die einzige Gemütsregung, die er noch zu kennen scheint. Die Öllampe neben seinem Lager muss immer brennen. Sobald sie erlischt, beginnt er zu schreien. Davon abgesehen hat er in all der Zeit kein einziges Wort gesprochen. Er zittert und schwitzt. Das ist alles.“ Der Heilkundige fuhr ein weiteres Mal mit dem Schwamm über die Stirn des Kranken.
    Trümmerboldt wandte sich wieder Funkenbruch zu und strich sich nachdenklich über den Bart. Die Luft um diesen Zwerg schmeckte bitter. Aber weshalb? Was mochte geschehen sein, dass die Quellen seiner Furcht selbst nach Hunderten von Schichten noch nicht versiegt waren?
    Der Knochenflicker schob den schweißgetränkten Schwamm zurück in seine Gürteltasche, klappte eines seiner geschliffenen Gläser herunter, schob mit dem Daumen vorsichtig das rechte Augenlid seines Patienten hoch und beugte sich mit besorgtem Blick über ihn.
    „Mit dem ist nicht mehr viel anzufangen. Sein Atem reicht nicht einmal mehr aus, um eine Kerze zu löschen. Er taugt allenfalls noch zum Türstopper. Doch weil der Verwalter ihn seinerzeit zum Erzveteran erhoben hat, bekommt er hier unten den Gnadenkrug.“
    Trümmerboldt fuhr zu ihm herum und fragte mit empörter Stimme: „Willst du damit sagen, dass seit zweihundert Jahren Bier durch dieses jämmerliche Stück Zwerg fließt?“
    Ohne den Blick vom trüben Auge seines Patienten abzuwenden, entgegnete der Knochenflicker lapidar: „Oben hinein und unten hinaus.“
    Ungläubig schüttelte der nur bedingt rechtmäßige Herrscher der Zwerge den Kopf.
    „Ich habe selten so eine Verschwendung gesehen. Da könnten wir es ja gleich in irgendeine Felsspalte gießen!“
    Der Knochenflicker zuckte mit den Schultern, hob Funkenbruchs Hand und tastete nach seinem Puls.
    „Nun, er ist ein Erzveteran und genießt darum gewisse Privilegien.“ Der Heilkundige schien weitgehend zufrieden, legte die Hand des Patienten vorsichtig wieder ab, klappte das Augenglas wieder hoch und wandte sich Trümmerboldt nun ganz zu.
    „Seit er hier ist, hat sich niemand für dieses bedauernswerte Häuflein Angst interessiert. Und darum drängt es mich zu wissen, wer Ihr seid und was Ihr wohl von ihm wollen könntet?“
    Trümmerboldt richtete sich zu seiner vollen Größe auf, spannte seine Muskeln an und trat so nahe an den Knochenflicker heran, dass ihre Bärte sich beinahe berührten.
    „Ich, Zwerg, bin der Hammer, der das Eherne Imperium ausbeulen und in neuem Glanz erstrahlen lassen wird! Denn das Schicksal hat mich zum Herrscher über dich und dein Volk gemacht!“
    Trümmerboldt legte

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