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Nimmerzwerg

Nimmerzwerg

Titel: Nimmerzwerg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Aster
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schreien, bevor er die Hände öffnete und erneut Licht in die Höhle ließ. Funkenbruch sank auf sein Sumpfgraslager zurück.
    Der bedingt rechtmäßige Herrscher der Zwerge blickte in das schweißnasse, angstverzerrte Gesicht des Kranken. Er sah die verklebten Haare, den knotigen Bart. Es war ein elender Anblick.
    „Wie, Zwerg, soll ich nur an all die Geheimnisse kommen, die du in deinem Kopf aufbewahrst?“
    Trümmerboldt schüttelte den Kopf und wusste nichts Besseres zu tun, als die Höhle ein weiteres Mal zu verdunkeln.
    Wie zuvor fuhr der Kranke empor und schrie.
    Doch dieses Mal sank er, als es wieder hell wurde, nicht in sich zusammen.
    Er verstummte zwar, blieb aber aufrecht und mit weit aufgerissenen Augen sitzen.
    Trümmerboldt meinte, darin eine Art Fortschritt zu erkennen.
    Doch der Kranke schaute nicht ihn an. Er schien direkt an ihm vorbei ins Leere zu starren. Und dann hob er plötzlich langsam und offenbar unter großer Anstrengung den Arm und wies in Richtung Höhleneingang. Seine fahlen Lippen begannen sich zitternd zu bewegen.
    Er flüsterte einen Namen.
    Trümmerboldt konnte ihn kaum verstehen. Doch es war noch nicht lange her, dass er eben diesen Namen aus einem anderen Bart vernommen hatte. Und darum verstand er ihn doch.
    Kreutzschliff.
    Kaum hatte er diesen Namen ausgesprochen, sank Bims Funkenbruch zum letzten Mal in seinem Leben auf sein schweißgetränktes Krankenlager zurück.
    Und plötzlich roch es nicht mehr bloß nach Angst.
    Langsam drehte Trümmerboldt sich um.
    Vor ihm stand ein Zwerg in einem mehrfach geflickten ledernen Umhang, der in eine lederne Maske überging, die sein Gesicht bis auf Augen, Mund und Bart komplett verbarg.
    Der Bart dieses Zwergs hatte eine eigentümlich blasse Färbung. Er endete über einer Werkzeugweste, wie Trümmerboldt sie noch von seinem Oheim kannte. In ihren Schlaufen steckte eine Ansammlung rostiger Werkzeuge. Drei Hämmer verschiedener Größe. Schraubendreher, Ösenlöser, Bohrmeißel und Keilzwingen. Auch an Armen und Beinen des Zwergs befanden sich Werkzeugschlaufen, in denen Messer, Schaber, Zangen und Malzer staken. Dazu trug er Handschuhe und schwere Arbeitsstiefel. All das war voller dunkler, schillernder Flecken. Der Zwerg roch so penetrant nach Öl und Kolbenfett, als wäre er gerade aus irgendeiner Maschine gekrochen. Und er roch noch nach etwas anderem. Nach Tod. Nicht dem frischen blutroten Tod am Ende eines Kampfes, sondern nach altem, fauligem Tod. Nach Verwesung.
    Außerdem ging eine eigentümliche Hitze von ihm aus…
    Trümmerboldt begriff, dass er niemand Geringeren als Kerbh Kreutzschliff, den verbliebenen Hammer Harrm Blutklumps, vor sich hatte. Und er begriff auch, dass Kerbh Kreutzschliff längst tot war. Es schauderte ihn.
    Und dann hob der Tote mit einer heiseren, beinahe unwirklich scheinenden Stimme zu sprechen an: „Folge mir, Krugk Trümmerboldt. Der Wächter wünscht, dich zu sehen…“
     

INTERMEZZO
     
     
     
    Der provisorische Herr der Zwerge folgte seinem untoten Führer durch die Gänge. Aus den Tiefen der Fieberhöhlen stiegen sie Ebene um Ebene weiter hinauf. Vorbei an den Arbeitsstollen, an schwitzenden, schuftenden Zwergen und den misstrauisch dreinblickenden schwarzen Menhiren, die in martialischen Rüstungen auf ihren Posten standen und nur darauf warteten, ihre silbernen Schlagstöcke auf den Rücken aufmüpfiger Schürfbrüder tanzen zu lassen.
    Die gebeugten Rücken von Trümmerboldts Untertanen hatten so manchen Schlag hinnehmen müssen. In ihren Augen glommen Unzufriedenheit und Wut, die einzig durch ein Fässchen am Schichtende so weit gemildert wurden, dass sie im Zwielicht der Gänge keine weitere Revolution anzettelten.
    Trümmerboldt hatte den Ausschank des Feierabendschlucks zum wichtigsten Teil der Schicht gemacht, da betrunkene Zwerge kaum in der Lage waren, einen Aufstand zu organisieren oder sich den schwarzen Menhiren zu widersetzen.
    Trümmerboldt wusste, dass Unmut sich bis zu einem gewissen Maß mit Alkohol niederhalten ließ – zum einen aus persönlicher und zum anderen aus langjähriger Berufserfahrung. Wenn man einem gerade erst erpressten Zwerg einen guten Humpen ausgab, wurde der größte Teil seiner Wut in der Regel hinfortgespült. Unmut war ein leicht lösliches Gefühl. Und am besten löste es sich in einem Humpen Bier.
    Und die Zwerge tranken zu gern, als dass sich allzu viel Unmut in ihnen angestaut hätte. Stellte man sie vor die Wahl zwischen Aufruhr und Trunkenheit,

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