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Nimmerzwerg

Nimmerzwerg

Titel: Nimmerzwerg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Aster
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müsste er nach einem Höhlenbeben Kiesel sortieren. Es erschien ihm beinahe einfacher, jeden Zwerg des Imperiums einzeln zu verprügeln, als diese Unmenge an Zeichen zu lernen.
    Aber wenn es ihm doch gelang, dann standen ihm alle Gänge offen.
    Der Verwalter würde ihm zu Füßen liegen, das Eherne Volk, seine Gelehrten und seine Priester. Und das war allemal ein Leben voller Kopfschmerzen wert.
    Seufzend zog Schwartzbarth Pilzgrimms Seelenstein aus seiner Schultertasche und stellte ihn vor sich hin. Er schraubte den Pfeifenhalter auf seinen Armstumpf, klemmte eine frisch gestopfte Pfeife hinein und zündete sie an.
    Er nahm einen tiefen Zug Gottkraut, blickte erst auf das Buch und dann auf den Stein und sagte schließlich laut: „Wohlan, Pilzgrimm, lehre mich deine Zeichen!“
    Erstaunlicherweise war es jedoch nicht die Stimme Wutrich Pilzgrimms, die daraufhin aus dem Inneren des Steins drang, sondern eine ganz andere.
    „Das kannst du nicht wirklich tun, Pilzgrimm! Er ist ein Pirat!“
    Schwartzbarth hockte da, die Ratte auf der Schulter, und starrte verblüfft den Stein an. Und dann erklang aus dessen Inneren wieder die bekannte Stimme Wutrich Pilzgrimms. Doch er sprach nicht zu ihm, sondern schien der anderen Stimme zu antworten.
    „Hör zu, dass wir zu zweit hier drin sind, ist lediglich ein Unfall. Ich habe dir gesagt, du sollst dich in deine Ecke setzen und dich ruhig verhalten.“
    Die andere Stimme aber schien nicht klein beigeben zu wollen.
    „Zum einen ist es verdammt eng hier drin, sodass ,meine Ecke, deine Ecke’ schon gar nicht funktioniert, zum anderen bist du nicht mein Herr. Und außerdem ist dieser Kerl immer noch ein Pirat! Du kannst ihm nicht den Schlüssel zum gesamten Wissen unseres Volkes offenbaren.“
    Schwartzbarth legte die Stirn in Falten und beugte sich etwas näher zu dem Stein hinab, in dessen Inneren Pilzgrimm offenbar nicht nachgeben wollte.
    „Und wenn er ein Troll wäre! Ich werde es ihm beibringen. Weißt du, wie lange ich gebraucht habe, um das hier einzufädeln? Du hast selbst gesehen, was ich alles tun musste, um auch nur an die Enzyklopädie heranzukommen!“
    Schwartzbarth kratzte sich am Bart und überlegte, was er tun sollte. Die beiden Stimmen klangen, als würden sie sich gerade erst in Fahrt reden. Vielleicht wäre es klug, den Stein für den Augenblick beiseitezulegen und ein Nickerchen zu halten.
    Da hörte er schon wieder die andere Stimme: „Oh ja, das habe ich. Du hast den Schicksalszwerg belogen. Und meinen Herrn. Durch deine Lügen hast du sie dazu gebracht, das Undenkbare zu wagen! { * } Das weiß ich genau. Ich bin nämlich dabei gewesen. Und ich bin dabei gestorben, wenn ich dich daran erinnern darf!“
     
     
    Pilzgrimm seufzte. Es war der schlimmste Moment in seinem Nachleben gewesen. In den Verliesen von Vorrngarth war das zweibeinige Gedächtnis des Hohepriesters durch die Kugel einer Stahlschleuder tödlich verwundet worden. Kurz darauf war der Zwerg gestorben, und der Schicksalszwerg hatte ihn der Tradition gemäß ins ewige Feuer hinabgesenkt. Ohne zu wissen, dass die Seele des Toten in den Stein fahren würde, den die Gefährten bei sich trugen. Seitdem musste Pilzgrimm, der Hunderte Jahre allein in diesem Stein gewohnt hatte, sich den Platz mit jemand anderem teilen.
    Doch davon wusste niemand. Um die Sprache des Steines zu verstehen, brauchte man Gottkraut. Und das hatten die Gefährten des Schicksalszwergs aufgebraucht und hatten seither auch kein neues mehr bekommen. Daher ahnte keiner von ihnen, dass das Gedächtnis des Höchsten doch nicht verloren war.
    „Ich wünschte, sie hätten dich liegen gelassen“, sagte Pilzgrimm. „Dann müsste ich mich nicht mit dir rumschlagen.“
    „Denkst du, ich habe mir das hier ausgesucht?“, empörte sich das ehemalige zweibeinige Gedächtnis.
    „Pah! Ich noch weniger“, schrie Pilzgrimm.
    „Ich hatte keine Wahl“, gab das Gedächtnis zurück. „Du aber hast sie, wenn es um das Wissen des Ehernen Volkes geht!“
    „Womöglich ist alles verloren, wenn ich zögere!“, erwiderte Pilzgrimm. „Endlich ist alles beisammen: die Enzyklopädie, ich und ein Zwerg, den ich die Zeichen lehren kann. Dies ist vielleicht meine einzige Chance!“
    „Ich werde es verhindern!“, schrie das Gedächtnis.
    „Ach ja? Wie denn?“, fragte Pilzgrimm spöttisch.
    „Ich werde Legenden rezitieren! Und zwar alle, die ich kenne! Du magst vielleicht der größte Gelehrte aller Zeitalter sein, ich aber bin das

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