Nimue Alban 10 - Der Verrat
sie liebte. Sie nahm seine Hand.
.5.
Platz der Märtyrer, der Tempel,
Stadt Zion,
die Tempel-Lande
»Rhobair, Sie müssen kommen! «, sagte Zahmsyn Trynair mit Nachdruck.
»Nein, Zahmsyn, muss ich nicht. «
Völlig ruhig blickte Rhobair Duchairn den Kanzler an. Trynairs Gesichtsausdruck verriet Anspannung, Frustration, Abscheu darüber, was er auszusprechen gezwungen wäre, und zugleich auch Zorn. Doch der Schatzmeister wirkte g e fasst, sein Blick beinahe – nicht ganz, aber doch beinahe – gelassen.
»Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, Vermutungen au f kommen zu lassen, es könnten zwischen uns Spannungen herrschen, Rhobair! «, schalt Trynair.
»Wer sich jetzt fragt, ob es in dieser Hinsicht vielleicht Spannungen zwischen Zhaspahr Clyntahn und mir gibt, hat entweder längst herausgefunden, dass dem so ist, oder er ist geistig derart zurückgeblieben, dass er wahrscheinlich nicht einmal in der Lage ist, sich ohne fremde Hilfe die Schuhe anzuziehen! «, versetzte Duchairn. »Und um ganz ehrlich zu sein: sollte jemand tatsächlich begreifen, dass ich … sagen wir: uneins mit Zhaspahr Clyntahn bin, was dieses … dieses ritualisierte Gemetzel betrifft, dann soll mir das nur recht sein! Selbst nach dem Buch Schueler sind die Strafen Schu e lers ausschließlich an echten, unbußfertigen Ketzern zu vol l ziehen, Zahmsyn – nicht an Leuten, die zufälligerweise Zhaspahr verärgert haben, weil sie doch tatsächlich die Tra u te besitzen, nicht einfach tot umzufallen, obwohl er es ihnen ausdrücklich befohlen hat! «
Ich habe mich getäuscht, begriff Trynair. In Duehairns Blick lag keine Spur Gelassenheit. Das war der Blick eines Mannes, dem mittlerweile alles egal war. Ein Schauer lief dem Kanzler über den Rücken, als er das begriff. Tief in se i nem Innersten stieg ein Gefühl auf, das sich erschreckend nach echter Panik anfühlte.
»Sie haben Zhaspahr – und mir – versichert, Sie würden sich ihm nicht entgegenstellen, wenn von uns Ihnen keiner den Weg bei den Dingen verstellt, die Ihnen wichtig sind «, sagte er vorsichtig.
»Und ich habe, so sehr mich das beschämt, nach wie vor nicht die Absicht, mich ihm offen entgegenzustellen. Aber es gibt Grenzen – Grenzen, die ich um meiner eigene Seele willen nicht überschreiten werde! Eine solche Grenze ist hier und jetzt erreicht. Sie und ich, wir wissen doch beide, dass diese sogenannten Geständnisse von Ketzerei oder Gotte s lästerung oder – Gott stehe uns bei! – Shan-wei-Verehrung diesen Männern nur unter der Folter abgepresst wurden. Und acht von zehn dieser Männer sind lieber gestorben, als in der Art und Weise falsches Zeugnis abzulegen, die Zhaspahrs Zwecken dienlich wäre. Haben Sie überhaupt eine Vorste l lung, wie viel Mut es erfordert, einer solchen Grausamkeit zu trotzen? Diese Männer mögen Abtrünnige sein, ja, aber sie sind keine Gotteslästerer, keine Götzendiener oder D ä monenanbeter, und sie haben Shan-wei verdammt noch mal keine Kinder geopfert! Das wissen Sie doch genauso gut wie ich! Wir reden hier von Menschen, deren einziges Verbr e chen in Wahrheit darin bestanden hat, sich einem gänzlich grundlosen Angriff auf ihre Familien und ihre Heimat en t gegenzustellen. Wenn ich mich also weigere, Teil der Rache zu sein, die Zhaspahr an diesen Menschen nehmen will, und ihn das derart verärgert, dass er sich dafür entscheidet, uns e ren Zwiespalt an die Öffentlichkeit zu bringen, dann ist das eben so! «
»Rhobair, wenn das geschieht, werden Sie nicht überleben! Wenn er sich offen gegen Sie stellt, wenn er Sie denunziert, dann wird Sie genau das Gleiche erwarten wie diese Charis i a- ner!«
»Ich könnte mich in schlechterer Gesellschaft befinden«, erwiderte Duchairn tonlos und mit eisiger Stimme. »Ja, ich glaube sogar, ich könnte mich kaum in besserer Gesellschaft befinden! Bedauerlicherweise bin ich mir längst nicht mehr so sicher wie früher, ob auch mein ewiges Schicksal dem ihren gleichen wird. Dafür kann ich nur beten.«
Trynairs Blut verwandelte sich in Eis. Er hatte gewusst, dass Duchairn zunehmend verbittert und angewidert war von Clyn- tahns Vorgehensweise. Doch das hier war die ha r scheste, un-nachgiebigste Kritik am Großinquisitor, die Duchairn selbst ihm gegenüber jemals geäußert hatte. Und wenn der Schatz¬meister in dieser Art und Weise weite r machte, wenn er tatsäch¬lich den offenen Bruch zwischen ihm und dem Großinquisitor riskierte, dann wusste Trynair schon jetzt ganz genau,
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