Nimue Alban 10 - Der Verrat
braucht die einzelnen Attentate nur annähernd aufeinander abzusti m men. Das alles fiele ja immer noch in das, was Merlin ›Si g nalverzögerung‹ nennt. «
»Da könntet Ihr wirklich recht haben «, räumte Nahrmahn ein. »Andererseits sehe ich auch Vorteile – für Clyntahn, meine ich, die sich daraus ergeben, wenn man das Ganze ein wenig in die Länge zieht. Die Reihe der Attentate würde dann der Welt beweisen, dass wir nicht in der Lage sind, ihn aufzuhalten. Deswegen …«
Plötzlich stockte er und starrte aus dem Kutschenfenster. Dann …
»Anhalten «, brüllte er, »sofort anhalten! «
Ruckartig kam die Kutsche zum Stehen. Der Komma n dant der berittenen Eskorte wendete mit verwirrter Miene sein Pferd und ließ auf die Kutsche zutraben. Er hatte keine Ahnung, was vor sich ging. Genau wie die meisten anderen von Nahrmahn Baytz ’ Leibwachen hatte er allerdings geh ö rigen Respekt vor den Instinkten des Fürsten.
»Raus hier! «, brüllte Nahrmahn Ohlyvya zu. »Raus hier, sofort! «
Verwirrt starrte sie ihren Mann an. Plötzlich spürte sie e i nen Funken echter, nackter Angst. So wie jetzt hatte er sie noch nie angeschaut. Nahrmahns scharfer Kommandoton hatte sie bereits dazu gebracht, sich in Bewegung zu setzen, bevor es ihr bewusst wurde. Der Fürst stieß seine Gemahlin zur Tür der Kutsche, hatte schon die Hand am Türgriff. Während Ohlyvyas kurzen Zögerns schwang schon das Tü r blatt auf. Gleichzeitig versetzte ihr ihr Gemahl mit der Schulter einen heftigen Stoß. In plötzlicher Panik schrie die Prinzessin auf und stürzte aus der Kutsche.
Bis zum Pflaster waren es gute drei Fuß. Ohlyvya Baytz schrie erneut auf, dieses Mal vor Schmerz, als sie unsanft aufprallte und sich den Knöchel brach. Doch ihr blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Nahrmahn kam bereits aus der Kutsche geschossen, stürzte sich auf sie, riss sie zu Boden und schützte sie mit dem eigenen Körper.
Genau in diesem Augenblick bemerkte auch Ohlyvya den Karren am Ende des Domplatzes, ganz in der Nähe des P a lastes. Einen Karren, der dort nicht stehen sollte. Einen Ka r ren, der jetzt mit ohrenbetäubendem Krachen explodierte.
.4.
Königlicher Palast,
Stadt Eraystor,
Fürstentum Emerald
»Lassen Sie uns allein! «, sagte Ohlyvya Baytz tonlos. Ihr Gesicht war totenbleich und entsetzlich anzusehen.
Herrliches Mondlicht fiel durch das Fenster des Schlafgemachs, und die Sterne funkelten am Himmel wie Gottes Geschmeide. Eine sanfte Brise strich über die Vorhänge, lieblich pfiffen die Nachtwyvern. Das raue, gequälte Ke u chen des halb bewusstlosen Mannes auf dem Bett aber krampfte Ohlyvya das Herz zusammen.
»Aber Hoheit …«, setzte der Oberste Heiler, ein Bischof vom Orden der Pasqualaten, zum Protest an.
»Lassen Sie uns allein! «, fauchte die Prinzessin. Der B i schof blickte sie an. Seine Miene verriet Besorgnis; seine Augen waren vor Mitleid dunkel umschattet. Ohlyvya zwang sich, tief durchzuatmen.
»Können Sie noch etwas für ihn tun, Mein Lord B i schof? «
»Nein, Hoheit «, gestand der Bischof; seine Stimme klang traurig, aber doch bestimmt. »Um ganz ehrlich zu sein: dass er noch lebt, ist mir völlig unerklärlich. Was wir für ihn tun konnten, ist bereits geschehen. Seine Schmerzen konnten wir ein wenig lindern. «
»Dann lassen Sie uns allein! «, wiederholte Ohlyvya e r neut. Tränen stiegen ihr in die Augen, und ihre Stimme klang nun viel sanfter als zuvor. »Das ist mein Mann. Er wird sterben, meine Hand in der seinen, in dem Gemach, das wir seit siebenundzwanzig Jahren teilen. Und ich werde a l lein mit ihm sein, Mein Lord. Ich werde ihm Gesellschaft leisten; ich werde seinen Tod bezeugen, und sollte er noch etwas sagen wollen, dann wird das einzig für meine Ohren bestimmt sein. Also lassen Sie uns bitte allein! Mir bleibt nur noch wenig Zeit, und ich weigere mich, noch mehr d a von zu verschwenden! «
Einen Moment lang blickte der Bischof die Prinzessin schweigend an, dann neigte er den Kopf.
»Wie Ihr wünscht, Hoheit «, sagte er leise. »Soll ich Pater Zhon zu Euch schicken? «
»Nein «, entschied Prinzessin Ohlyvya, blickte auf das Gesicht ihres Gemahls hinab und hielt immer noch seine Hand – die eine Hand, die ihm noch verblieben war.
Der Bischof wollte wieder protestieren, würgte den Pr o test jedoch hinunter. Pater Zhon Trahlmahn, der Beichtvater des Hofes, war eigentlich eher ein Lehrer für Nahrmahns und Ohlyvyas Kinder als der Gottesmann, der sich um des Prinzen
Weitere Kostenlose Bücher