Nimue Alban 10 - Der Verrat
seine Ermordung zusammen mit der des Thronfo l gers eine rechtlich brisante Situation, die gerade und vor a l lem Clyntahn für sich nutzen kann: Jetzt nämlich ist der rechtmäßige Erbe des Throns von Corisande kein handlung s fähiger Mann, sondern ein Kind – und noch einmal: ein Kind, das sich außerhalb seines eigenen Fürstentums befi n det und mehr oder weniger direkt unter dem Einfluss der Kirche steht. In Corisande ist Daivyns Exil wegen eine M i schung aus Machtvakuum und Gewaltenteilung entstanden. Gleichzeitig stellt sich Daivyns Exil wegen überhaupt erst die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Machtausübung dort. Das, Irys, war Grund für die sogenannte Nord-Verschwörung. Das alles hat unmittelbar zu Blutvergießen und Hinrichtungen in Corisande geführt. Daivyn aber ist hier, die ganze Zeit über, wo die ›Vierer-Gruppe‹ alles mit ihm anstellen kann, was für sie am schnellsten zum Ziel führt. «
Graf Coris ließ die Hand wieder sinken. Schweigend blickte Irys ihn an. Ihr Gesichtsausdruck ließ ihn vermuten, dass er nichts angesprochen hatte, was der Prinzessin nicht längst selbst durch den Kopf gegangen war. Dennoch saß sie da, blickte ihn an und schwieg. Schließlich neigte sie den Kopf zur Seite.
»Das sind alles keine Beweise, Phylyp. Das ist eine A r gumentation, warum es für jemanden wie Clyntahn durchaus sinnvoll gewesen sein könnte, Vater und meinen Bruder Hektor umbringen zu lassen. An sich ist diese Argumentat i on auch durchaus schlüssig, das gebe ich zu. Nachdem ich nun mitbekommen habe, was Clyntahn der Familie Wylsynn und all seinen anderen Rivalen im Vikariat angetan hat, will ich wahrlich nicht behaupten, die Tatsache, dass er ein Vikar Gottes ist, hätte ihn auch nur einen Moment lang von einer solchen Tat abgehalten! Dieser Mann ist ein Schlächter, ein Tyrann, ein Mörder und schlichtweg ein Ungeheuer. « Diese tonlose, beinahe emotionslose Sachlichkeit, mit der sie das ausspricht, lässt es nur noch schlimmer klingen, ging es i h rem Vormund durch den Kopf. »Aber nichts davon ist ein Beweis dafür, dass er tatsächlich für Vaters und Hektors Tod verantwortlich ist! Ich gebe wohl zu, dass es Zeit wird, z u mindest die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, Cayleb h a be wirklich nichts damit zu tun. Aber das ist etwas völlig anderes als zu behaupten, in Wahrheit sei zweifellos Cly n tahn dafür verantwortlich! «
»Dein Vater hat dich wirklich viel gelehrt «, sagte Coris und lächelte traurig. »Immer nach anderen Möglichkeiten Ausschau halten, immer nach dem weniger Offensichtlichen suchen. Nie einfach beschließen, etwas sei die Wahrheit, bloß weil man das gern so hätte. «
»Vater hat mich auch gelehrt, niemals jemandem ganz zu vertrauen «, erwiderte Irys und blickte dem Grafen fest in die Augen. »Das war seine allererste Regel, der wichtigste Lehrsatz von allen. Aber in deinem Fall hat er eine Ausnahme gemacht – und ich bin bereit, auch hierbei seinem Beispiel zu folgen. Andererseits bin ich nicht bereit, deine Behauptu n gen zu akzeptieren, einfach bloß, weil ich dir vertraue. «
Vor Stolz ging Coris das Herz auf. Er nickte.
»Mein Gott, was wärest du für eine Regentin geworden! «, sagte er leise. »Dein Vater und ich haben darüber einmal gesprochen. Er hat Sharleyan wirklich gehasst, das weißt du ja selbst. Aber das war nie etwas Persönliches zwischen den beiden. Sie war ihm einfach nur … im Weg. Und er wusste ganz genau, dass sie niemals ruhen würde, bis sie den Tod ihres Vaters gerächt hätte. Aber zugleich hat dein Vater sie eben auch bewundert – wirklich, sehr sogar. Und ich denke, er hat ernstlich darüber nachgedacht, in Corisande das Er b folgerecht zu ändern. « Lächelnd schüttelte der Graf den Kopf. »Und dann hat er mir gesagt, er habe sich dagegen entschieden, weil er glaube, unsere Welt werden es nicht überstehen, wenn Sharleyan und du gleichzeitig auf ihr r e gierten – es sei denn, ihr beide stündet auf der gleichen Se i te, und das werde ja niemals geschehen. «
Irys ’ Blick wurde mit einem Mal viel sanfter; kaum mer k lich zuckten ihre Lippen. Doch dann schüttelte sie den Kopf, löste ihre verschränkten Arme und deutete mit dem ausg e streckten Zeigefinger anklagend auf ihren Vormund.
»Keine Schmeicheleien, Phylyp! So leicht kannst du mich nicht ablenken. Du hast gesagt, du hättest ein sehr vielsagendes Indiz. Dann her damit! «
»Selbstverständlich. « Im Sitzen deutete Coris eine Ve r neigung an, dann
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