Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
Samuel-Gebirges in die vordersten Regionen der Hsing-wu-Passage vorstießen. Sie steuerten Salyk an. Ihre Aufgabe war es, bei der Verteidigung der Stadt mitzuhelfen, die unteren dreihundert Meilen des Hildermoss freizuräumen und sich für einen vielleicht nötigen Rettungsversuch bereitzuhalten. Letzteres sollte allerdings nicht erforderlich sein – vorausgesetzt, der verrückte Plan des Kaisers funktionierte.
Na ja, eigentlich ist es ja wohl doch eher der verrückte Plan eines gewissen Seijin Merlin , dachte Bahrns, während die Delthak langsam Fahrt aufnahm. Aber der Kaiser hat den Plan mit Begeisterung aufgenommen.
Er wollte sich gerade schon an den Ersten Rudergänger wenden. Doch Crahmynd Fyrgyrsyn, der grauhaarige Petty Officer am Ruder, hatte seine Befehle eigentlich schon erhalten. Der ungeschlachte Bug der Delthak schwenkte ein wenig zur Seite, orientierte sich am Schein einer Laterne am Heck der vorausfahrenden Fluss-Galeere. Schon bald schob die Delthak eine beachtliche Bugwelle vor sich her. Sie folgte der Galeere in die Flussmündung der Bucht hinein. Der Kanallotse, der unmittelbar neben Bahrns stand, nickte zustimmend, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Hat ja keinen Sinn, hier einfach drauflos zu plappern und damit alle an Bord wissen zu lassen, wie nervös ich bin , dachte Bahrns. Bislang läuft alles genau nach Plan, und der Einsatz läuft ja immerhin schon – was? Ganze fünf Minuten?
Seine Mundwinkel zuckten. Dann jedoch dachte er an das andere Panzerschiff hinter ihm – und an die Kähne, die sie beide schleppten. Er dachte an die dreitausend Infanteristen und die vierhundert Matrosen unter seinem Kommando. Er dachte an all die Dinge, die immer noch schiefgehen könnten. Die Versuchung, sich ein Lächeln zu erlauben, verschwand so rasch, wie sie gekommen war.
Fauchend leckten die Flammen am leeren, einsamen Nachthimmel. Einsamer als diese Nacht fühlte sich allein Merlins Seele an.
Wenn er denn überhaupt eine hatte. Im Augenblick war sich Merlin fast sicher, Maikel Staynair müsse sich doch täuschen. Es wäre so viel tröstlicher, glauben zu können, dass ihn nach dieser Existenz nur noch Schwärze, Leere und Vergessenheit erwarteten. Es wäre gut, gäbe es keinen Grund mehr, sich der Dinge zu erinnern, die einst gewesen waren.
Wahrscheinlich wirst du beizeiten auch wieder anders darüber denken … irgendwann , sagte er sich traurig und wischte das Blut von seinem Katana, bevor er es wieder in die Scheide zurückschob. Aber genau das macht dir am meisten Sorgen, oder? Dass du eines Tages tatsächlich anders darüber denken könntest. Dass es dir irgendwann nichts mehr ausmacht. Und wenn das passiert: wo ist dann der Unterschied zu Zhaspahr Clyntahn und dessen Schlächtern?
Merlin wusste, dass er sich selbst gegenüber ungerecht war: Er ging mit sich selbst härter ins Gericht, als er das bei jedem anderen getan hätte. Genau das hätte ihm Cayleb vorgehalten – hätte er mit ihm über diesen Teil von ›Stoßtruppunternehmen Kanal‹ gesprochen. Er hätte darauf hingewiesen, es müsse nun einmal getan werden, und es sei ja nun wahrlich nicht Merlin Athrawes gewesen, der der Republik die Armee Gottes auf den Hals gehetzt habe. Damit hätte Cayleb recht gehabt. Aber das änderte nichts daran, dass hier Moral kalter Zweckdienlichkeit untergeordnet wurde.
Und es ändert nichts daran, was ich selbst bin: eine Tötungsmaschine.
Das letzte Wort spie er sich in Gedanken praktisch entgegen: rau, zornig, gehässig. Vor seinem geistigen Auge erschienen die Erinnerungen an das, was geschehen war … und ein PICA hatte nun einmal ein fotografisches Gedächtnis. Kein Detail fehlte. Er sah die Männer, die durch seine Hand gestorben waren. Keiner von ihnen hatte auch nur den Hauch einer Chance gehabt … was auch immer sie in jenen letzten kostbaren Sekunden des Lebens geglaubt haben mochten. Keiner von ihnen konnte einem PICA im Kampf die Stirn bieten. Denn Merlin war ihnen in jeder Hinsicht überlegen: Er war stärker, er war schneller … und er war unverwundbar.
Das ist alles viel zu einfach. Es sollte nicht so einfach sein, Menschen zu töten. So ist das doch für dich nur eine Art virtuelles Kampfspiel … genauso groß ist schließlich die Chance, dass du selbst aufgehalten wirst!
Derlei Gedanken gingen Merlin wahrlich nicht zum ersten Mal durch den Kopf. Doch in letzter Zeit wurden sie düsterer. Die Finsternis in seiner Seele – wenn er denn eine hatte – speiste sich aus vielerlei
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