Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
charisianischen Infanteristen standen auf und rückten vor. Mit kurzen, schnellen Schritten eilten sie vorwärts, wann immer die geheimnisvollen Explosionen in der Schanze dafür sorgten, dass die Verteidiger in Deckung gingen. Der Bischof biss die Zähne zusammen, als er erneut begriff, wie ausgefeilt die Taktik der Charisianer war.
Na ja , dachte er grimmig und beobachtete, wie die Ketzer mit der Unnachgiebigkeit einer einkommenden Flut näher und näher an die Schanze herankamen, vielleicht ist deren Taktik ja im Augenblick ausgefeilter als unsere. Aber ich bin mir nicht zu fein, dazuzulernen!
»Sir … Mein Lord … Sie müssen sich jetzt zurückziehen!«
Nybar warf einen Blick über die Schulter. Colonel Mairyais Uniform war schlammbespritzt, seine linke Wange blutig. Seinen Helm hatte er verloren, in seinem schwarzen Haar hingen Dreckklumpen.
»Ich schaffe den Rest der Division hier fort, Sir. Wir brauchen Sie weit hinter der Front! Sie müssen die Truppe neu organisieren, bevor uns diese Dreckskerle hier erwischen!«
»Wohl wahr, Spyncyr.« Gorthyk Nybar stellte fest, wie ruhig er klang. »Aber wenn ich etwas organisieren muss, dann sollte ich doch wenigstens vorher erfahren, womit wir es überhaupt zu tun haben, oder?«
Mairyai starrte ihn an. Ganz offenkundig wollte er schon protestieren, und so packte ihn Nybar unsanft am Arm.
»Organisieren Sie den Rückzug! Wenn Sie wollen, stellen Sie einen Zug ab, der auf mich aufpasst. Ich verspreche Ihnen, mich vor Einrücken der Ketzer zurückzuziehen. Aber ich muss wissen, was hier vor sich geht, Spyncyr – ich muss das mit eigenen Augen sehen! Ich beobachte die Lage, so lange ich kann. Vielleicht erfahre ich ja wenigstens, was sich die Ketzer hier haben einfallen lassen.«
Einen langen Moment blickte der Colonel seinem Vorgesetzten schweigend in die Augen. Dann atmete er in einer Art Stoßseufzer aus und schüttelte den Kopf.
»Ich nehme Sie beim Wort, Sir … und ich lasse Ihnen auch einen Zug hier. Und dieser Zug erhält völlig eindeutige Befehle: Wenn sich der Feind dieser Schanze auf fünfhundert Schritt nähert, werden Sie in die Etappe gebracht, Sir – und wenn die Männer Sie dafür bewusstlos schlagen und hinter sich her schleifen müssen! Haben Sie mich verstanden?«
»Durchaus, Spyncyr«, erwiderte Nybar immer noch unfassbar ruhig, während unablässig die charisianischen Salven dröhnten, »durchaus.«
.V.
Guarnak-Ascheneis-Kanal,
Provinz New Northland,
und
am Ascheneis, Provinz Northland,
Republik Siddarmark
Lautlos schwebte Merlin Athrawes’ Aufklärer-Schwebeboot über den Guarnak-Ascheneis-Kanal hinweg. Es befand sich dreihundertvierzig Meilen landeinwärts der Stadt Ranshir, wo der Ascheneis in die gleichnamige Bucht mündete. Das Bildmaterial der SNARCs zeigte Merlin, wie sich zwei Panzerschiffe abfahrbereit machten. Niemand, der Merlin in diesem Augenblick gesehen hätte, wäre auf die Idee gekommen, der Seijin könnte ebenso aufgeregt sein wie Captain Halcom Bahrns. Wahrscheinlich sogar noch aufgeregter , gestand sich Merlin mit einem freudlosen Grinsen ein. Schließlich war das Ganze ja seine Idee gewesen.
Er warf einen prüfenden Blick auf die Instrumente – nicht, dass das erforderlich gewesen wäre. Er hatte noch reichlich Zeit … genau deswegen vermutete Merlin ja auch, dass er nur nach Ausflüchten suchte, den Aufbruch zu verzögern. Wieder ertappte er sich bei dem Wunsch, es fiele ihm eine Möglichkeit ein, die selbstgewählte Aufgabe zu vermeiden. Sollte aber wohl nicht sein. Leider.
Der eine große Nachteil seines Plans war, dass es einfach war, ihn zu vereiteln – nein, nicht nur zu vereiteln: Der ganze Plan ließ sich mit einfachsten Mitteln in eine gewaltige, entsetzliche Katastrophe verwandeln.
HMS Delthak und ihre Schwesterschiffe waren für die Nutzung in Binnengewässern aller Art ausgelegt. Aber als Merlin seine Idee gekommen war, hatte er ausschließlich an Flüsse gedacht. Und nicht nur das: Er hatte an die Sorte Flüsse gedacht, die während des Amerikanischen Bürgerkriegs Wasserstraßen gewesen waren. Gut, jene Panzerschiffe dort unten waren sechzig Fuß kürzer als die Panzerschiffe der Passaic -Klasse aus dem Sezessionskrieg. Ihre Panzerung war ungleich dünner (dabei aber sehr viel widerstandsfähiger). Trotzdem war ihre Verdrängung kaum zweihundert Tonnen geringer als die jener Schiffe, die seinerzeit als ›Monitors‹ bezeichnet worden waren. Aus dem Blickwinkel der Hochseeschifffahrt waren es
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