Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
Telegraphengast beugte sich über das Bronzerohr – Master Howsmyn hatte es das ›Sprachrohr‹ genannt –, das ihn mit dem Maschinenraum verband und ließ sich die tatsächliche Fahrtgeschwindigkeit durchgeben. Da die Strömung selbst auf drei Knoten kam, fuhr das Schiff faktisch nur mit zehn Knoten. Doch mittlerweile hatten Lieutenant Bairystyr und seine Schmierer ein gutes Gespür dafür entwickelt, welche Umdrehungszahlen welche Geschwindigkeit bedeuteten. Bahrns konnte sich darauf verlassen, dass der Telegraphengast ihm hinreichend klare Meldung machte, um innerhalb kürzester Zeit auch etwaige Feinabstimmungen vorzunehmen.
Es war praktisch, hier oben auf dem Kommandoturm ein Gerät zu haben, das ständig die aktuelle Geschwindigkeit anzeigte. Das kleine Gerät war direkt mit der Staudrucksonde unter dem Kiel der Delthak verbunden.
Sieh’s doch ein! , dachte er amüsiert. Mit deiner ganzen Grummelei über ›anständige Kampfschiffe‹ führst du doch bloß ein längst verlorenes Rückzugsgefecht, weil du in Wahrheit ganz begeistert davon bist, was dieses Schiff hier alles kann, Halcom!
»Und jetzt, Meister Myklayn«, wandte er sich dem Kanallotsen zu, »liegt alles wohl in Ihren Händen.«
»Aye, Sir, scheint so.«
Zhaimys Myklayn war nie in seinem Leben zur See gefahren. Und doch hatte er schon mehr Meilen auf dem Wasser zurückgelegt als die meisten Flottenoffiziere – aber eben immer nur auf Süß wasser. Sein ganzes Berufsleben hatte er auf den Flüssen und Kanälen des Kontinents East Haven verbracht: Er stand im Dienst der Kanalaufsicht, deren Verwaltung dem Langhorne-Orden zukam. Auf ganz East Haven gab es niemanden, der sich mit diesen Gewässern besser auskannte als Myklayn. Natürlich benötigten selbst vertäute Lastkähne einen Rudergänger. Zhaimys Myklayn jedoch war weit mehr als das. Er war einer der führenden Kanallotsen: Seine Aufgabe war es nicht nur, die Karten sämtlicher Kanäle stets auf dem neuesten Stand zu halten, sondern ebenso auch die aller durch diese Kanäle verbundenen Flüsse. Es war an ihm, zu erkennen und zu melden, wann und wo Reparaturen erforderlich waren. Männer wie Myklayn waren es auch, die hin und wieder Verbesserungen längst bekannter Routen vorschlugen.
Nun klemmte sich der breitschultrige, grauhaarige Lotse in seinem abgewetzten, fadenscheinigen Kasack der Kanalaufsicht eine Pfeife zwischen die Zähne und trat auf die Steuerbordnock hinaus.
Bahrns folgte ihm durch die schwer gepanzerte Tür des Kommandoturms, die durch einen Schnappriegel am Zufallen gehindert wurde. Schließlich musste er als Kapitän Petty Officer Fyrgyrsyn ja Steuerbefehle zurufen können. Nun zog Bahrns eine Shan-wei-Kerze aus der Tasche, riss sie an der holzbeplankten Eisenreling an und schützte die Flamme mit der linken Hand, während er Myklayn Feuer gab.
Kurz zögerte der Lotse, dann beugte er sich – ein wenig vorsichtig – der Flamme entgegen und zog an der Pfeife, bis der Tabak glomm. Süßlicher Rauch kräuselte sich seinem Gesicht entgegen. Dann richtete sich Myklayn auf und grinste Bahrns ein wenig schief an, die Pfeife immer noch zwischen den Zähnen.
»So ein Ding sehe ich hier zum ersten Mal, Captain! Hat mich ein bisschen … überrascht, um ehrlich zu sein. Aber ganz schön praktisch.«
»Finde ich auch«, sagte Bahrns und ließ die abgebrannte Shan-wei-Kerze in den Spucknapf fallen, den man für all jene Wachen aufgestellt hatte, die dem Kaublatt zusprachen. Leise lachte Myklayn in sich hinein.
»Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass der Großinquisitor darüber ein wenig verärgert sein dürfte«, bemerkte er. Bahrns ließ die Zähne aufblitzen.
»Meister Myklayn, wir haben Zhaspahr Clyntahn in letzter Zeit so viele Gründe für gegeben, ›ein wenig‹ verärgert zu sein, dass ein paar Shan-wei-Kerzen nun wohl auch keinen Unterschied mehr machen, meinen Sie nicht auch?«
»Wahrscheinlich nicht.« Myklayn zog an seiner Pfeife und stieß dann eine kleine Rauchwolke aus. Nachdenklich blickte er ihr hinterher: Die Delthak nahm wirklich rasch Fahrt auf. »Und wo wir gerade dabei sind: was wir jetzt vorhaben, wird uns dann wohl endgültig auf seine schwarze Liste bringen, was?« Er schüttelte den Kopf. »Captain, ein Teil von mir verabscheut den Gedanken wirklich zutiefst, so etwas zu tun. Mein ganzes Leben lang habe ich mich strikt an alle Regeln für den Gebrauch und die Instandhaltung der Kanäle gehalten, die uns die Heilige Schrift vorschreibt. Ich
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