Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
ihrem Weg vollständig zerstört hatten. Bahrns war der Ansicht, Seijin Merlin hätte recht: Egal, wie militärische Befehlshaber wie Wyrshym dachten, allen Festlandbewohnern waren Langhornes Weisungen in Fleisch und Blut übergegangen, die Kanäle und die Landstraßen stets zu pflegen. Bahrns und seine Männer hingegen kannten diese Pflichten nur aus dem Buch Langhorne und nicht aus der Praxis. Denn auf Charis und auf Chisholm gab es kaum Kanäle. Für Bewohner des Festlands jedoch waren sie völlig selbstverständlicher Teil des Alltags. All denen, denen die Aufgabe zukam, für Wartung und Reparaturen zu sorgen, war voll und ganz bewusst, wie sehr die gesamte Wirtschaft des Festlands von diesen Verkehrswegen abhing. Schon Myklayns Zwiespalt, was ihre derzeitige Aufgabe betraf, war Captain Bahrns dafür Beleg genug.
Der Gedanke, beide Panzerschiffe durch Zerstörung von Schleusen festzusetzen, käme den meisten Festländern gar nicht – genau das hatte Merlin behauptet: Sie fühlten sich zu sehr an ihre heiligen Pflichten gebunden. Darüber hinaus bliebe: Auf dem Festland habe niemand eine Ahnung, dass es die Panzerschiffe gebe und zu was sie fähig seien. Da man dort auch nicht wissen könne, welche Geschwindigkeit diese Schiffe dank des neuen Dampfantriebs erreichten, werde man viel zu langsam reagieren.
Bislang sieht es ganz danach aus, als habe der Seijin die Lage völlig richtig eingeschätzt , dachte Bahrns. Mit den Fingerknöcheln klopfte er auf die Holzbeplankung der Brücke und achtete darauf, nicht gerade eine der Stellen zu erwischen, in denen das Holz unter dem Beschuss von Kanonenkugeln gesplittert war.
Nun galt es herauszufinden, ob der Seijin auch alles andere richtig eingeschätzt hatte.
.X.
Der Tempel,
Stadt Zion,
die Tempel-Lande
Im Ratssaal herrschte bedrückende Stille.
Die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm , dachte Rhobair Duchairn und blickte über den Tisch hinweg zu Zhaspahr Clyntahn. Ich kann gar nicht fassen, dass er nicht schon längst tobt!
In den letzten Monaten war die Armee Gottes bis zur Grenze der Siddarmark marschiert, hatte sie überquert und war dann mit Feuer und Schwert durch die Republik gezogen. Die ganze Zeit über war der Großinquisitor außergewöhnlich freundlich gewesen, fast schon liebenswürdig. Er hatte sich nicht einmal übermäßig beklagt, nachdem Duchairn ein ganzes Viertel der logistischen Kapazitäten von Mutter Kirche dazu abgezweigt hatte, den Hungernden zu helfen … und so viele ihrer Kinder wie möglich in die Sicherheit der Tempel-Lande bringen zu lassen.
Natürlich hatte es auch den einen oder anderen Rückschlag gegeben. Der Vorstoß der Dohlaraner nach Thesmar beispielsweise war aufgehalten worden. Doch selbst das war langfristig nicht von Bedeutung. Denn auf diese Weise hatte Ahlverez die Möglichkeit gehabt, ebenfalls nach Klippenkuppe zu ziehen, um Kaitswyrth bei dessen Teil des Feldzugs zu unterstützen. Das hatte die Ketzer ganz offensichtlich völlig überrascht. Die Armee des Kaiserreichs Desnairia, die durch Silkiah aufmarschierte, reichte ja, um sich sämtlicher Probleme in der Südmark anzunehmen.
Triumphmeldungen hatten vorgeherrscht. Zahlreiche Provinzen hatten sich fest im Griff von Mutter Kirche befunden: Tarikah, Westmarch, Eiswind, New Northland, Mountaincross und Hildermoss, dazu zwei Drittel der Südmark – und jetzt auch noch Klippenkuppe. Hinter der immer weiter vorrückenden Armee waren dann Clyntahns Inquisitoren ausgeschwärmt und hielten aufmerksam Ausschau nach jeder Form der Ketzerei. Jegliche Kritik an Clyntahns Schwert Schuelers und seiner Entscheidung, die Siddarmark-Frage ein für alle Mal zu lösen, hatte sich als gänzlich unangemessen und falsch erwiesen: Innerhalb weniger Monate hatten die Armeen von Mutter Kirche mehr als ein Drittel der ganzen Republik geradezu in Stücke gerissen. Und die vielgepriesene Siddarmarkian Army – die Armee der Republik, die wie ein Titan so viele Jahre lang alle anderen Reiche auf dem Festland überragt hatte – war zersprungen wie Glas. Meuterei und Desertion hatten sie angeschlagen, Hunger und Entbehrungen fast zerschmettert. Und dann wurde sie von Hunderttausenden von Männern angegriffen, allesamt mit genau jenen Gewehren bewaffnet, deren Produktion in der Siddarmark Clyntahn ausdrücklich untersagt hatte: So war die gefürchtete Siddarmarkian Army vor der vorrückenden Armee Gottes geflüchtet … oder in den Tod gegangen.
Natürlich musste die Schreckensherrschaft
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