Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
den Kopf.
»Aber ich bezweifle, dass Sie hier sind, um über Ihre Herkunft zu sprechen«, fuhr er fort.
»Stimmt.« Wieder blickte sie ihn an und verkrampfte in einer gänzlich untypischen Geste die Finger. »Das stimmt wirklich. Ich … ich durchlebe eine … eine Glaubenskrise, Eure Eminenz. Ich brauche Euren Rat.«
»Hoheit … Irys.« Er kam mit dem Sessel wieder nach vorn und beugte sich seiner Besucherin entgegen. »Vergessen Sie bitte nicht, wer ich bin und welches Amt ich bekleide.«
»Seid Ihr ein Priester Gottes, Eure Eminenz?«
Herausfordernd blickten ihn haselnussbraune Augen an – Augen, die in diesem Moment älter wirkten als seine eigenen. Mehrere Sekunden verstrichen, in denen er schweigend diesen Blick erwiderte. Dann atmete er tief durch.
»Mehr als alles andere«, erklärte er leise.
»Dann sprecht mit mir als Priester, Eure Eminenz. Nicht als Erzbischof, nicht als Politiker, nicht als Staatsmann. Als Priester … und als der Mann, der mir und meinem Bruder Schutz angeboten hat. Ich weiß, wohin mein eigenes Herz mich führen will. Aber ich weiß noch nicht, ob ich das Recht habe, ihm zu folgen. Ich habe darüber noch nicht einmal mit Phylyp gesprochen – noch nicht. Zunächst muss ich mich erst selbst zurechtfinden. Ich muss verstehen – wirklich begreifen –, wohin mein Herz mich zieht. Und ich brauche einen echten Mann Gottes, der mir erklärt, was in Wahrheit unter der Oberfläche aus Hass, Blutvergießen und Tod lauert. Bitte helft mir, das zu verstehen, Eure Eminenz! Wie soll ich eine Entscheidung treffen, solange ich das nicht verstehe?«
»Oh Irys.« Sanft blickte er sie an und schüttelte den Kopf. »Das klingt so einfach, aber in Wahrheit versteht niemand das, bis wir unsere Reise schließlich beenden. Wir tun unser Bestes. Wir lauschen jener leisen Stimme Gottes tief in unserem Herzen; wir strengen uns an, Ihn zu hören und Ihm zu gehorchen. Aber es gibt noch so viele andere Stimmen, so viele andere Behauptungen , wer und was wir sind. Deswegen ist es wirklich schwer, das alles zu begreifen – manchmal ist es sogar entsetzlich schwer – vor allem für jemanden wie Sie, gefangen in der Stellung, in die Sie hineingeboren wurden. Ich verstehe, warum Sie so sehnsüchtig nach einer Erklärung für das alles suchen – nach einer Karte, die Sie niemals im Stich lassen wird. Aber alles, was ich Ihnen bieten kann, sind Glaube und Gebet. Ich kann Ihnen erklären, wie ich über diese Sache denke, was ich dabei empfinde, wie ich sie begreife. Aber das alles kann nicht mehr sein als das Wenige, das ein jeder Sterbliche nur von der Unermesslichkeit Gottes zu begreifen vermag. Ich kann Ihnen schildern, wie ich versucht habe, mich dieser Frage zu nähern und zu welchen Ergebnissen ich dabei gekommen bin. Aber weder ich noch jemand sonst kann Ihnen diese Suche abnehmen, diese Reise. Ich kann und werde Sie als Tochter Gottes lieben und nach Kräften für Sie sorgen … aber ich kann Ihnen nicht sagen, was Sie zu denken oder wie Sie zu entscheiden haben, meine Liebe. Dieser letzte Schritt kann nur von Ihnen kommen. Wie jener letzte Schritt auszusehen hat, kann ich Ihnen nicht sagen.«
Irys riss die Augen auf, und wieder schüttelte der Erzbischof von Charis den Kopf.
»Das genau ist der Trugschluss, dem Mutter Kirche erlegen ist. Es liegt nicht allein an der ›Vierer-Gruppe‹, Irys! Diese Männer hätten niemals so viel Schaden anrichten können, hätte Mutter Kirche es nicht zugelassen. Und Mutter Kirche hat es zugelassen, weil sie so rigoros darauf besteht, Gottes Kindern vorzuschreiben, was sie zu denken haben. Mutter Kirche bestraft sie, wenn sie es wagen, auch nur einen einzigen Punkt der Lehren anzuzweifeln, so aufrichtig ihr Glaube an sich sein mag. Sie gestattet es den Kindern Gottes nicht, auf Gott selbst zu hören. Und die Heilige Schrift gestattet ihr dieses Vorgehen – zumindest, wenn man die Heilige Schrift so auslegt, wie Mutter Kirche das tut. Aber damit geht große, zu große Macht einher: eine Macht, die nicht nur das vergängliche Leben aller Kinder Gottes bedroht, sondern auch deren unsterbliche Seelen. Diese Wahrheit ist selbst jenen offenbar, die Mutter Kirche am meisten geliebt haben – Männern wie Samyl und Hauwerd Wylsynn. Mutter Kirche hat diese Männer für ihre Liebe ermordet . Denn sie ist nicht bereit, die Macht aufzugeben oder auch nur teilweise von ihr abzulassen. Es geht ihr um Macht und Herrschaft – selbst wenn das letztendlich zu jemandem wie
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