Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
Nachrichten in die Tempel-Lande weiterzuleiten, dann glaube ich einfach nicht, dass es dabei wirklich nur um ein paar harmlose Rätsel geht, Merlin. Und weil er die Schreiben an seine Schwester immer als Diplomatenpost geschickt hat, haben wir uns auch nie gefragt, was in den Briefen wohl stehen mag. Wir wussten ja schließlich, woher sie kamen und wohin sie gingen – und es hatten darauf nur Personen Zugriff, denen wir vertrauen. Genau deswegen war das ja auch der perfekte Kanal.«
»Damit ist sie also auch eine Verräterin«, sagte Merlin gedehnt und sah vor seinem geistigen Augen die Frau mit den traurigen Augen, die ihm in der Botschaft aufgefallen war.
»Das hängt sehr davon ab, wie man Verrat definiert«, gab Nahrmahn ruhig zu bedenken.
»Diese Frage stellt sich in letzter Zeit häufiger, ja«, stimmte Merlin schweren Herzens zu.
»Ich bin nicht unglücklich, dass ich Entscheidungen hinsichtlich dieser Frau ganz Euch überlassen kann«, gestand Nahrmahn. »Aber wenn ich richtig liege, dann wissen wir jetzt, wer in Hairatha der Verräter war. Wenn tatsächlich Sahlavahn dafür verantwortlich war, Informationen über die neuen Geschütze an Clyntahn weiterzuleiten, kann der Großinquisitor von den neuen Mahndrayns oder den Aufschlagzündern unmöglich wissen. Denn Sahlavahn hat diese Information nie erhalten. Andererseits würde das auch erklären, woher Clyntahn und Rayno so viel über die aus glatten Läufen verschossenen Granaten und die Zeitzünder wissen. Es heißt vielleicht sogar, dass sie auch von den Granatengeschützen mit gezogenem Lauf Kenntnis haben. Bis dato haben wir noch keine Anzeichen dafür gesehen, dass die an so etwas arbeiten, richtig. Aber das könnte einfach daran liegen, dass die Information bislang noch gar nicht nach Zion gelangt ist. Außerdem wissen wir nicht, ob Sahlavahns Schwester sein einziger Informationskanal war. Ich bin mir sogar fast sicher, dass der Captain noch einen zweiten Kanal genutzt haben muss. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass er sich gescheut hat, ihr technische Zeichnungen zukommen zu lassen. Immerhin wüsste gleich jeder, der sie durch Zufall doch zu Gesicht bekommt, worum es sich handelt – sie selbst eingeschlossen. Wahrscheinlich hat Sahlavahn seine Schwester nur als ›toten Briefkasten‹ genutzt: Sie hat Dinge weitergegeben, ohne die geringste Ahnung zu haben, worum es dabei eigentlich ging. Nach allem, was ich bislang über den Captain herausgefunden habe, hätte er sie niemals mehr in Gefahr gebracht als unbedingt nötig.«
»Nein. Nein, stimmt, das hätte er wirklich nicht.« Merlin atmete tief durch. Während der kurzen Phase seiner Zusammenarbeit mit den Geschützentwicklern hatte er auch Trai Sahlavahn recht gut kennengelernt – nicht so gut wie Mahndrayn, aber doch gut genug. »Sollten Sie recht haben, bedeutet das immerhin, dass die undichte Stelle jetzt gestopft ist.«
»Ich bin zwar der Ansicht, ich hätte recht … aber ich bin auch der Ansicht, wir sollten nicht in aller Seelenruhe davon ausgehen, ich sei unfehlbar.« Ein Grinsen zuckte über Nahrmahns Gesicht. »Ich verstehe übrigens Eure Frustration darüber, die Fernsonden nicht in Zion einsetzen zu können, immer mehr. Ich würde wirklich zu gern aus erster Hand erfahren, was dort geplant wird. Oder noch besser: eine hübsche kleine Sprengladung genau unter dem Sessel in Raynos Büro deponieren. Für Clyntahn bräuchte man natürlich etwas, an dem er ein wenig länger … Freude hätte.«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht … mehr als nur einmal.« Merlins Grinsen fiel grimmiger aus als das des Fürsten von Corisande. »Ich habe sogar schon in Erwägung gezogen, ganz Zion mit einer Atombombe in die Luft zu jagen. Dann hätte man es wenigstens ein für alle Mal hinter sich.« In seinem Gesicht war keine Spur mehr von Belustigung, und sein Blick wirkte erschreckend düster. »In dieser Stadt gibt es genug Dreckskerle, die den Tod mehr als verdient hätten. Außerdem ließe sich ein ›Rakurai‹, der die ganze ›Vierer-Gruppe‹ auf einen Schlag auslöscht, wohl kaum ignorieren. Aber so etwas kann ich nicht machen, Nahrmahn. Ich kann es nicht! Selbst wenn ich es fertig brächte, den Knopf zu drücken, würde ich mir damit jede Chance nehmen, dass man mir später noch zuhört. Wir reden hier von der größten Stadt auf ganz Safehold! Wie sollte ich denn bitte rechtfertigen, die Stadt dem Erdboden gleichgemacht zu haben, bloß um den Tempel zu erwischen? Und so wie
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