Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
beruhigend: Auf diese Weise zeigte Mutter Kirche, dass sie als Hüterin ihrer Kinder niemals in ihrem Streben nachließe. Sie würde sich nicht den Launen einfacher Sterblicher beugen oder ebenso vergänglichen Moden nachgehen – komme was da wolle. Und wenn Mutter Kirche das Wort der Heiligen Schrift hin und wieder ein wenig beugen musste, um deren eigentlichen Sinn zu bewahren und die Kirche selbst und deren Lehren unversehrt zu lassen, dann war das eben so … so bedauerlich es scheinen mochte.
Doch an diesem Morgen lief Wyllym Rayno ein Schauer über den Rücken, als er an den versengten, von Hitze geborstenen Pflastersteinen des Platzes vorübereilte. Sein Vorgesetzter, der für all jene Veränderungen auf dem Platz der Märtyrer verantwortlich war, würde nicht gerade erbaut sein angesichts des jüngsten Berichts.
»Das ist nicht akzeptabel, Wyllym.« Zhaspahr Clyntahns Augen waren hart wie Stein und glühten vor Zorn, als er über seinen Schreibtisch hinweg den Adjutant General des Schueler-Ordens anfunkelte. »Wer auch immer für diese Morde verantwortlich ist: ich … will … ihn … haben!« Im Takt seiner Worte tippte er mit dem Zeigefinger auf die Schreibtischunterlage. »Ich will alle in Gewahrsam genommen wissen, die etwas damit zu tun haben könnten. Ich will, dass sie verhört werden, und ich will, dass sie die Strafen erhalten, die ihre Verbrechen verdienen!«
»Euer Exzellenz, darum haben wir uns bereits bemüht«, erwiderte Rayno ungewohnt unterwürfig. »Unsere besten Ermittler haben sämtliche Beweismittel gründlichst untersucht. Unsere Inquisitoren sind jeder Spur nachgegangen. Wir haben zusätzliche Agenten der Inquisition in möglicherweise ketzerische Gruppierungen eingeschleust. Trotzdem haben wir nicht mehr als das gefunden, was ich Euch bereits berichtet habe.«
»In den letzten sieben Monaten wurden fünf Vikare von Mutter Kirche ermordet – allesamt treue Diener Gottes, tatkräftige Unterstützer der Inquisition und des Heiligen Krieges. Und Sie sind dabei noch keinen Schritt weiter, herauszufinden, wer dafür verantwortlich ist, ja? Das ist Ihr Bericht, Wyllym, tatsächlich?«
»Es tut mir leid, Euer Exzellenz.« Rayno verneigte sich und zwang sich dazu, sein Gegenüber höflich anzublicken. Er musste hier zwar Ehrerbietung und angemessene Zerknirschung gleichermaßen zeigen, aber Furcht durfte er sich auf keinen Fall erlauben. Er hatte bereits mit eigenen Augen gesehen, was denen widerfuhr, die Schwäche gezeigt hatten. »Ich habe die Ermittlungen auch keineswegs eingestellt. Aber es wäre eine Vernachlässigung meiner Pflichten als Adjutant General des Ordens, Euch nicht offen und ehrlich die Wahrheit zu berichten.« Seinem Blick war nicht anzusehen, wie oft er die Wahrheit bereits … vorsichtig den Gegebenheiten angepasst hatte. Zumindest hoffte Rayno das. »Ich vermute, dass der Drahtzieher dieser Morde alles äußerst sorgfältig vorbereitet hat. Weiterhin vermute ich, dass der Mörder selbst gezielt aus einem anderen Reich nach Zion geschickt wurde.«
»Ach ja?« Clyntahn lehnte sich zurück. Sein höhnischer Gesichtsausdruck beunruhigte Rayno. »Und was ist aus Ihrer wunderbaren Theorie geworden, die ersten beiden Morde seien lediglich im Zuge spontanen, irrationalen Zorns begangen worden? Ich glaube, Sie hatten seinerzeit von ›Verbrechen, geboren aus Leidenschaft und Gelegenheit‹ gesprochen.«
»Das war lediglich eines verschiedener möglicher Szenarien, die ich in meinem ersten Bericht aufgezeigt hatte, Euer Exzellenz«, rief ihm Rayno respektvoll ins Gedächtnis zurück. »Und es passte zu allen Beweisen, die uns damals vorlagen. Vikar Suchung und Vikar Vyncnai befanden sich auf dem Heimweg von einer … Abendunterhaltung.« In Wirklichkeit hatten die beiden gerade ein Bordell verlassen. Und da Rayno beide Vikare recht gut kannte, war er sich ziemlich sicher, dass sie sturzbetrunken gewesen waren. »Die beiden wurden nur von je zwei Gardisten begleitet. Das reichte als Sicherheitsvorkehrung eben nicht aus, als sie in diese Hungerrevolte hineingerieten. Danach zumindest hatte es damals ausgesehen.«
»Und jetzt?«
»Jetzt scheint, als sei diese Hungerrevolte nicht derart spontan ausgebrochen, wie ursprünglich angenommen.« Ohne mit der Wimper zu zucken, erwiderte Rayno den zornigen Blick seines Vorgesetzten. »Damals kam es nicht zu weiterer Gewaltanwendung gegen Mitglieder des Vikariats. Wäre es anders gewesen, hätten wir natürlich sofort vermutet, dass
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