Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
den Mann, der für das Tagesgeschäft der Inquisition verantwortlich war, mit einem zornigen Blick.
»Sollte meine Lageanalyse zutreffen, Euer Exzellenz, dann muss der Grundstein für diese Verschwörung bereits gelegt worden sein, bevor Ihr zum Großinquisitor ernannt wurdet«, erwiderte Rayno. Clyntahns Nasenflügel bebten. Subtiler hätte man nicht darauf verweisen können, wer letztendlich für sämtliche Entscheidungen der Inquisition verantwortlich war.
»Nun, nehmen wir Ihre … Erklärung, die mir einer schlechten Abenteuergeschichte entsprungen scheint, als gegeben«, sagte der Großinquisitor schließlich, »was wollen Sie dagegen unternehmen?«
»Meines Erachtens sollten wir dieses Problem angehen, als sei es gänzlich neu, Euer Exzellenz.« Raynos gelassene, wohlüberlegte Erwiderung verdeckte alles, was der Erzbischof von Chiang-Wu in Wahrheit empfand: Erleichterung darüber, dass er lange genug lebte, überhaupt noch etwas unternehmen zu dürfen . »Wir müssen uns von sämtlichen bisherigen Annahmen und Vermutungen befreien. Uns muss bewusst sein, dass keiner unserer Agenten und keiner unserer Informanten – egal wer! – auch nur das Geringste über diese Verschwörung gewusst hat. Schlimmer noch: es ist sehr gut möglich, dass einige von ihnen sehr wohl davon gewusst haben, weil sie selbst dazugehören!«
Wie Lava loderte es in Clyntahns Augen auf, doch Rayno sprach ruhig weiter.
»Offenkundig konnten diese Verräter nicht tief genug in die Reihen der Inquisition vordringen. Sie haben die Agenten-Inquisitoren nicht korrumpieren können, die wir vor zwei Jahren damit beauftragt hatten, die Familien der Verräter zu observieren, Euer Exzellenz. Daher bezweifle ich, dass sie die Inquisition weit genug durchsetzt haben, um uns an allen eintreffenden Informationen zweifeln zu lassen. Aber es wäre töricht, so zu tun, als wären wir nicht kompromittiert worden. Mir scheint ratsam, niemals aus den Augen zu verlieren, wie effektiv die Spione der Ketzer haben schalten und walten können – sogar hier in Zion und dem Rest der Tempel-Lande. Denkt doch nur an den Marschbefehl für Bischof Kornylys! Ganz offenkundig haben die Ketzer Agenten in Positionen untergebracht, die wir bislang noch nicht überprüft haben. Wir müssen wohl davon ausgehen, dass sich zumindest einige von ihnen mitten unter uns, in unseren eigenen Reihen, befinden könnten .« Das letzte Wort betonte er: dezent, aber doch unverkennbar.
Clyntahn schien sich wieder ein wenig zu beruhigen. Rayno dankte Langhorne und Schueler, dass der Großinquisitor das Gespräch nicht auf Phylyp Ahzgood und Rhobair Seablanket gelenkt hatte. Als er erfahren hatte, dass Graf Coris und sein Kammerdiener die gesamte Inquisition und sämtliche persönliche Agenten des Großinquisitors zum Narren gehalten hatten, war seine Reaktion … erschreckend gewesen. Nur zwei Dinge hatten groß angelegte Vergeltungsmaßnahmen gegen alle verhindert, die an dem misslungenen Versuch beteiligt gewesen waren, Daivyn und Irys Daikyn zu ermorden (was einen gewissen Wyllym Rayno mit einschloss): Zum einen hatte man Seablanket bereits vor Jahrzehnten als Agenten der Inquisition angeheuert, lange bevor Clyntahn den Thron des Großinquisitors bestiegen hatte. Zum anderen hatte Clyntahn persönlich mit Coris gesprochen und sich damit selbst von der Eignung des Mannes überzeugt.
»Gleichzeitig«, fuhr der Erzbischof fort, »könnte es jedoch kontraproduktiv sein, alles und jeden zu verdächtigen und unter jedem Bett in ganz Zion nach möglichen Verrätern in den eigenen Reihen Ausschau zu halten. Ich halte es für sehr wahrscheinlich – sogar für praktisch gewiss! –, dass die Verschwörer sich bei der Tempelgarde und der Inquisition selbst zurückgehalten haben, was das Anwerben neuer Agenten betrifft. Offenkundig ist es ihnen bislang gelungen, nicht unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Das Risiko war zu groß, sich bei dem Versuch, unsere gottesfürchtigsten und höchst motivierten Brüder und Diener zu bestechen oder anderweitig zu korrumpieren, selbst zu verraten. Es hätte doch einer von unseren Leuten nur so tun müssen, als habe er die Seite gewechselt, um uns dann umgehend zu informieren: schon wäre die ganze Verschwörung aufgeflogen! Deswegen glaube ich, wir können unseren Leuten nach wie vor weitgehend vertrauen. Gleichzeitig jedoch sollten wir sehr vorsichtig vorgehen und die Wahrheit über unsere Vermutungen ausschließlich denen mitteilen, von denen wir ganz
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