Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
dieser Angriff gezielt den Vikaren Suchung und Vyncnai gegolten hat! Aber was seitdem geschehen ist, wirft ein anderes Licht auf die damaligen Ereignisse. Aus diesem Grund habe ich unsere Ermittler angewiesen, jeden Zeugen der damaligen Zwischenfälle erneut zu befragen. Nun sind die Befragungen abgeschlossen. Selbst wenn man berücksichtigt, dass zwei Personen den gleichen Sachverhalt immer ein wenig anders schildern, bestätigen die Zeugenaussagen doch eines: Die Ausschreitungen haben seinerzeit damit begonnen, dass zwei Frauen und drei Männer mit den Verkäufern auf dem Markt einen Streit über die Preise angezettelt haben. Alle Zeugen beschreiben diese Frauen und Männer recht übereinstimmend, aber keinem einzigen der Zeugen waren diese Personen bekannt. Mittlerweile scheint offenkundig, dass diese fünf Individuen die Unruhen geschürt haben, um einen gezielten Angriff auf die beiden Vikare zu verschleiern. Selbst nachdem ein wenig … Druck auf sie ausgeübt wurde, blieben die Zeugen dabei, keinen der fünf gekannt zu haben. Von den fünf Fremden wurde auch keiner in Gewahrsam genommen, als gegen die Teilnehmer der Ausschreitungen vorgegangen wurde.
Gleichzeitig jedoch, Euer Exzellenz, muss ich ehrlich eingestehen, dass weder ich selbst noch einer meiner Ermittler diese Ausschreitungen erneut untersucht und die Beweislage neu bewertet hätte, wenn es nicht zu weiteren Übergriffen gegen Vikare gekommen wäre.«
»Na, das glaube ich sofort!«, grollte Clyntahn.
»Die anderen Morde«, fuhr Rayno fort und hielt dem Blick seines Vorgesetzten nach wie vor stand, »waren deutlich leichter als solche zu erkennen: Sie waren gezielt und von langer Hand vorbereitet. Wie allerdings die Mörder in Vikar Hyrmyns Gemächer gelangen konnten, ist bis heute noch nicht geklärt.«
Rayno behielt für sich, dass sich Vikar Hyrmyn sein luxuriös eingerichtetes Refugium abseits des Tempels nur geleistet hatte, um in aller Ruhe persönlichen Vorlieben nachzugehen, für die vielleicht nicht jeder … Verständnis aufgebracht hätte. Besagte Vorlieben waren ein ganz besonders heikles Thema, seit mehrere Mitglieder des Kreises um die beiden Wylsynns der Päderastie beschuldigt und dafür auch verurteilt worden waren. Derlei Dinge wollte der Großinquisitor ganz gewiss nicht hören. Zudem hatten die Ermittler noch keinen Verdächtigen vorzuweisen – von einem nach wie vor nicht identifizierten Kind abgesehen, das Hyrmyns persönlicher Gardist in die Gemächer des Vikars gelassen hatte.
Wer auch immer dahinterstecken mag , dachte Rayno, und der Gedanke beschäftigte ihn nicht zum ersten Mal, weiß auf jeden Fall eine ganze Menge über seine Opfer. Er wählt sie nicht aufs Geratewohl aus. Nein, er sucht gezielt nach ihnen, und zwar anhand … persönlicher Vorlieben, von denen niemand etwas wissen sollte – außer der Inquisition, natürlich. Und dann nutzt er die Natur der jeweiligen Vorlieben aus, um sein Opfer zu erledigen.
Er musste sich ein Grinsen verkneifen, so ironisch erschien ihm die Situation: Hier ging es um genau jene Vorlieben, die Zhaspahr Clyntahn seinerzeit dabei behilflich gewesen waren, sich der unverbrüchlichen Treue dieser Vikare zu versichern. Nun galt eines herauszufinden: Wer sonst konnte auf die Aufzeichnungen und die anderen Beweismittel zugreifen, die Clyntahn als persönliche Lebensversicherung unauffällig in seinen Besitz gebracht hatte?
»Bei Vikar Erwyn und Vikar Tairy ist bereits recht klar, wie die Attentäter an sie herangekommen sind«, fuhr Rayno fort. »Zumindest im Falle von Vikar Erwyns Tod liegen uns sogar ausgezeichnete Beschreibungen der Täter vor. Bedauerlicherweise bin ich mittlerweile zu dem Schluss gekommen, die Attentäter müssten es darauf angelegt haben, von Zeugen beobachtet zu werden. Sie haben sich bewusst auffällig gekleidet und gezielt dafür gesorgt, dass völlig glaubwürdige Zeugen die umgehend herbeigerufenen Gardisten auf eine völlig fruchtlose Verfolgungsjagd lockten. Also machten sich die Gardisten – die wirklich vorbildlich rasch reagiert haben! – auf die Jagd nach bestens beschriebenen Attentätern, während die Attentäter ihre bewusst auffällige Kleidung einfach verschwinden ließen und dann in der Menschenmenge untertauchten.
Ein solches Vorgehen bringt mich zu der Überzeugung, dass wir es mit einer bestens organisierten, gut ausgebildeten, sehr einfallsreichen Gruppierung zu tun haben, Euer Exzellenz.« Der Erzbischof schüttelte den Kopf. »Wir
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