Nimue Alban: Der Kriegermönch: Roman (German Edition)
Lantern, und wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, gibt es auf der Strecke mindestens drei Wasserfälle. Für den Transport von größeren Mengen Erz wären umfangreichere Eingriffe und Baumaßnahmen erforderlich als beim Lantern. Und Kohle gibt es auf Lake Lands Gebiet gar nicht.«
»Ich kann Großherzog Mountain Heart sicher zur Vernunft bringen«, meinte Sharleyan und gestattete sich ein dünnes Lächeln. »Wir beide haben ja schon des Öfteren die Klingen gekreuzt. Ich glaube nicht, dass er bereit ist, noch mehr Blut zu verlieren. Vielleicht könnten wir ihm die Zustimmung versüßen, indem wir ihm anbieten, die Baumaßnahmen am Shelakyl mit Mitteln der Krone zu subventionieren? Wir versprechen die Übernahme der Baukosten, wenn er im Gegenzug für die Reststrecke auf dem Fluss nur einen minimalen Zoll erhebt.«
»Das wäre ein Idee, ja, Eure Majestät. Aber ich muss, bei allem schuldigen Respekt, darauf hinweisen, dass die Schatzkammer im Augenblick nicht gerade überquillt. Nach Eurem Eintreffen in der Heimat bin ich zusammen mit Baron Ironhill die aktuellen Zahlen durchgegangen. Um im kommenden Jahr die Kosten zu decken, werden wir auf die Rücklagen für schlechte Zeiten zurückgreifen müssen. Ehrlich gesagt, momentan fließen zu viel unserer Einkünfte ins Alte Charis.«
Sharleyan spürte, wie die Anspannung am Tisch zunahm. So zu reagieren war nur allzu verständlich. Sie wusste auch, dass sich die Lage im Laufe der kommenden Jahre noch verschlechtern würde. Außer es gelänge ihnen, einiges im Land zu verändern.
»Ich verstehe, Sir Dynzail. Dafür gibt es aber einen guten Grund. Unser Problem liegt, platt ausgedrückt, darin, dass sich dort im Alten Charis die leistungsstärksten Manufakturen der ganzen Welt befinden. Das war schon so, bevor die ›Vierer-Gruppe‹ den Angriff auf das Königreich befohlen hat. Seitdem haben die Alt-Charisianer nach Kräften dafür gesorgt, Effizienz und Ausstoß ihrer Manufakturen immer weiter zu steigern. Das hat zu sinkenden Preisen bei charisianischen Waren geführt und das wiederum zu höheren Absatzzahlen. Dies gilt sowohl hier in Chisholm als auch auf dem Festland, Clyntahns Embargo zum Trotz. Die Ereignisse in der Siddarmark werden den Festlandsmarkt wegbrechen lassen. Nur hat Charis sich mit der Erschließung neuer Märkte hier in Chisholm, in Emerald, Tarot und Corisande längst einen Ausgleich geschaffen. Das bedeutet natürlich, dass noch mehr Geld von Kunden aus Chisholm zu den Manufakturen im Alten Charis fließen wird.«
Rings um den Tisch wurde genickt. Kaufmännisch zu denken war kein Privileg der Charisianer, auch Chisholmianer verstanden einfache Mathematik. Nur sie haben nicht begriffen , ging es Sharleyan durch den Kopf, welchen gewaltigen Schub es der Wirtschaft des Kaiserreichs verleihen wird, wenn Handelswaren zu einem erfreulich niedrigen Preis auch in großer Stückzahl verfügbar sind. Allein schon der Ausstoß von Rhaiyan Mychails Tuchwebereien hatte unverkennbare Auswirkungen: Die Preise für Kleidung fielen praktisch ins Bodenlose. Mittlerweile konnte sich auch ein einfacher chisholmianischer Arbeiter ein aus Alt-Charis importiertes Hemd leisten. Und nicht nur das: er musste dafür weniger als ein Viertel des Preises zahlen, den ein einheimischer Schneider gefordert hätte … und die Preise sanken weiter! Inzwischen verlief der Preisverfall derart rasch, dass es bald preislich keinen Unterschied mehr machte, ob man sich von seiner Frau zu Hause ein Hemd weben ließ, oder ob man ein maschinell gefertigtes Hemd aus dem Alten Charis kaufte – allerdings war Letzteres von viel besserer Qualität! So war es in vielen Wirtschaftsbereichen: Überall mischten die Waren aus Alt-Charis den Markt auf. Kriegsbedingt war das meiste, was dort produziert wurde, auf die Bedürfnisse des Militärs zugeschnitten. In Friedenszeiten, wo für den zivilen Markt produziert würde, sähe die Lage in Chisholm wesentlich dramatischer aus.
»Man kann niemandem vorwerfen, preisbewusst einzukaufen«, fuhr sie finster fort. »Nein, besser: Man sollte es nicht tun! Denn was das Leben des einfachen Volkes verbessert, sollte nach Kräften unterstützt und nicht beklagt werden! Gleichzeitig jedoch haben wir es mit einem folgenschweren Ungleichgewicht der Handelsbilanz zwischen unserer Heimat und dem Alten Charis zu tun. Wir müssen dem dringend entgegensteuern.«
»Eure Majestät …« Einer der Ratgeber fast ganz am anderen Ende des Tisches erhob sich. »Was das
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