Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
Captain Raimahn. Also sorgen Sie dafür, dass Vyktyr und Sahmantha versorgt sind, und dann schaffen wir meinen wichtigen, gottgeweihten, störrischen Bischofshintern den Berg hinunter, damit Sie drei mich noch einmal in aller Ruhe beschimpfen können!«
.XVI.
HMS Destiny ,
Howell Bay,
Altes Königreich Charis,
Kaiserreich Charis
»Sie wären doch gewiss gern länger in der Heimat geblieben!«
Irys Daykyn stand an der Heckreling von HMS Destiny und schaute zu, wie die Kirchtürme und Dächer von Tellesberg in der Ferne verschwanden. Sie wusste selbst nicht so recht, warum sie gerade jetzt an Deck stand. Schließlich war Tellesberg nicht ihre Heimatstadt. Trotzdem hatte es sich … so ergeben. Erstaunlich, wie gut sich das anfühlte!
»Als Seemann gewöhnt man sich daran, Eure Hoheit«, erwiderte Hektor Aplyn-Ahrmahk, den Blick fest auf das vergoldete Szepter auf dem höchsten Turm der Kathedrale gerichtet. Prächtig funkelte es in der Sonne. Dann zuckte Herzog Darcos mit den Achseln. »Auch für die Matrosen auf Handelsschiffen liegt zwischen einzelnen Fahrten immer nur ein kurzer Aufenthalt. Wir im Dienste der Krone verbringen noch mehr Zeit auf See als die meisten anderen.« Er wandte den Blick von der Kathedrale ab, schaute stattdessen Prinzessin Irys an und lächelte. »Dann genießen wir es um so mehr, in die Heimat zurückzukehren. Nur … passen wir dann gar nicht mehr so recht ins Leben auf Land. Hierher …«, seine Handbewegung schloss die Masten und die Segel des Schiffes ein, aber auch das Rauschen der Wellen und das Heulen des Windes, »hierher hingegen passen wir. Das hier war schon mein Zuhause, bevor ich so alt war wie Ihr Bruder. Wenn ich meine Eltern und Geschwister besuche, besuche ich also deren Zuhause, nicht meines.«
»Wirklich?« Ein Schatten legte sich über Irys’ Blick. »Wie schade!«
»Oh nein, Eure Hoheit!« Rasch schüttelte der Lieutenant den Kopf. »Nicht mehr und nicht weniger als für jeden anderen, der irgendwann erwachsen ist. Mutter und Vater werden immer das bleiben, was ich aus meinen Erinnerungen kenne, wenn ich … in Gedanken dahin zurückkehre, woher ich stamme. Aber erwachsen zu werden bedeutet für jedes Kind seinen eigenen Platz in der Welt zu finden. Auch das lehrt das Leben auf See schon sehr früh.«
Irys musterte ihn und nickte dann.
»Das stimmt wohl. Aber macht uns unser Zuhause nicht auch immer zu dem, was wir eigentlich sind? Vergleichen wir nicht andere Orte und wohl auch andere Zeiten immer mit unserem Zuhause?«
»Ja, vielleicht.« Nachdenklich neigte er den Kopf zur Seite. »Aber auch dem entwachsen wir. Wir müssen lernen, uns zu verändern.«
Plötzlich schnaubte er belustigt und grinste über das ganze Gesicht. Irys erkannte in diesem Grinsen einen Hauch schmerzlicher Erinnerung. Doch gerade das schien wichtiger Bestandteil von Hektors Belustigung zu sein.
»Was ist denn?«, erkundigte sich Irys.
»Ach, ich musste nur gerade daran denken, Eure Hoheit, wie sehr sich mein eigenes Leben verändert hat!« Mit dem Kinn deutete er zu Gräfin Hanth hinüber. »Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem Graf Hanth in seine Grafschaft zurückgekehrt ist. Mit diesem Schiff hier haben wir ihn seinerzeit nach Hanth Town gebracht, wisst Ihr?«
»Nein, wusste ich nicht.« Irys schüttelte den Kopf und drehte sich ebenfalls zur Gräfin um. Auch ihre Mundwinkel zuckten jetzt. »Ich wusste auch nicht, dass Sir Dunkyn gern Leute durch die Gegend kutschiert.«
»Sir Dunkyn ist ein sehr interessanter Mann«, sagte Aplyn-Ahrmahk. »Für den Grafen Hanth gilt das ebenso. Damals war ich natürlich nur ein Midshipman, und Seine Majestät hatte mir diesen lächerlichen Titel gerade erst aufgebürdet. Ich war davon völlig … überwältigt – ja, das trifft es wohl am besten. Graf Hanth erging es genauso. Schließlich herrschte in seiner Grafschaft gehöriges Durcheinander, nachdem dieser Dreckskerl …« Er verzog das Gesicht. »Verzeiht, Eure Hoheit. Ich sollte mich in Eurer Gegenwart wahrlich nicht solcher Ausdrücke befleißigen. Aber eine bessere Beschreibung für Tahdayo Mahntayl will mir einfach nicht einfallen. Er hat dem rechtmäßigen Grafen seinerzeit wirklich ein Durcheinander hinterlassen, das Shan-wei persönlich nicht schlimmer hätte gestalten können! Ich glaube, der Graf hätte beinahe alles dafür gegeben, weiterhin nur der schlichte Colonel Breygart bleiben zu dürfen. Aber er konnte vor diesem Titel natürlich ebenso wenig davonlaufen wie ich.
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