Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
Augenbraue.
»Also, jetzt schaut mich doch nicht so treuherzig sittsam an, Eure Majestät. Oder muss es ›Eure Durchlaucht‹ heißen, bis wir den Schlund hinter uns haben?« Mairah schüttelte den Kopf. »Bis zu Hektors Verstand ist das bislang noch nicht vorgedrungen … Nun, sofern er im Augenblick überhaupt denkt, dann zumindest nicht mit seinem Kopf! Aber ich garantiere Euch, dass sich diese Idee bei Prinzessin Irys schon mehr als einmal ungebeten zu Wort gemeldet hat. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass sie besagte Idee recht unwirsch angewiesen haben wird, gefälligst den Mund zu halten.«
»Wahrscheinlich tun Sie damit beiden Unrecht«, erwiderte Sharleyan ernst. »Hektor ist vielschichtiger, als den meisten bewusst ist. Ich bin wirklich sehr zufrieden mit ihm. Er hat sich wunderbar gemacht – auch wenn ich als seine offizielle Stiefmutter mir das wohl kaum als Verdienst anrechnen kann. Er ist erst sehr spät Teil meines Lebens geworden – anders als Hauwerds Kinder bei Ihnen. Sicher, eines gebe ich gern zu: Was immer sich da entwickelt, ist keine seelisch-geistige Sache allein. Aber durch Reichtum oder hohe Geburt lässt sich Hektor nicht beeindrucken. Nicht, dass Irys dieses Register gezogen hätte«, setzte sie hinzu, sichtlich bemüht, auch ihrerseits niemandem Unrecht zu tun. »In unserem Herzog Darcos steckt immer noch eine ganze Menge vom guten alten, einfachen Hektor Aplyn – dafür sei Gott gedankt! Ob er sich nun von derlei Dingen beeindrucken lässt oder nicht, eines kann ich Ihnen versprechen: Er wird niemals, nicht für einen einzigen Moment, vergessen, dass Irys Daykyn anders als er in den höchsten Adelsrang hineingeboren wurde. Ich weiß nicht, ob der einfache Hektor Aplyn jemals wagen würde, sich von Herzog Hektor Aplyn- Ahrmahks offenkundig von einem anderen Körperteil als seinem Kopf bestimmten Gefühlen leiten zu lassen. Aber zweifellos ist er sich dieser Gefühle bewusst, das garantiere ich Ihnen.«
»Und was ist mit Irys?«, fragte Mairah und blickte erneut zu der Prinzessin hinüber.
»Sie meinen die junge Dame, die gerade eben über Deck geschwebt ist, fort von Ihnen und mir, ohne ihren Bruder auch nur eines Blickes zu würdigen oder zu schauen, wo er überhaupt steckt – und das geradewegs auf einen gewissen Lieutenant zu?«, fragte Sharleyan ein wenig spitz. »Nun, was ihre Gefühle für Hektor angeht, wird sie auch ziemlich uneins mit sich selbst sein. Eigentlich würde es mich überhaupt nicht überraschen, wenn sie bald begriffe, vor welchen Gedanken sie in letzter Zeit immer wieder zurückgeschreckt ist. Sie hat sich einfach geweigert, über bestimmte Dinge nachzudenken. Natürlich könnte ich mich auch täuschen. Die Lage ist weiß Gott kompliziert genug. Irys wird also zweifellos drei- oder viermal – oder auch fünf hundert Mal! – über alles nachdenken, was Einfluss auf ihre derzeitige Position oder die ihres Bruders nehmen könnte. Möglicherweise hat sie das ja auch schon getan. Aber das halte ich eher für unwahrscheinlich.«
»Wünscht Ihr, dass ich sie dazu ermutige , ein wenig über diese Frage nachzudenken?«, erkundigte sich Mairah leise. Sharleyan blickte sie scharf an, und die Gräfin zuckte mit den Schultern. »Ich werde sie ganz gewiss nicht zu etwas drängen, was sie nicht will, Eure Majestät. So dumm bin ich nicht. In ihrer Lage würde selbst das letzte Naivchen – was Irys ja nun wahrlich nicht ist! – misstrauisch, wenn jemand versuchte, sie auf Gedeih und Verderb mit Hektor zu verkuppeln. Sie weiß schließlich, dass ich Euch nahestehe, und dürfte sofort vermuten, Ihr stecktet hinter dem Ansinnen. Sie wird sich jedoch ebenso wie wir bewusst sein, welche Vorteile ein solches Arrangement vor allem für das Kaiserreich hätte, und sich um ihren Bruder Sorgen machen.«
»Sie meinen also, es hätte durchaus ein paar Regenten gegeben, die Irys unter derartigen Umständen dazu ermutigten, ein Mitglied der eigenen Familie zu ehelichen, ja? Später würde Daivyn dann dezent … aus dem Weg geräumt, und zwar endgültig? Auf diese Weise könnte besagter Regent dann über Irys’ Kinder Anspruch auf den Thron erheben. So hätte Irys’ Vater wohl bei einer solchen Gelegenheit gedacht, nicht wahr?« Sharleyan blickte grimmig drein, und Mairah nickte.
»Dieser Gedanke muss Irys bereits gekommen sein, Eure Majestät«, erklärte sie leise. »Sie liebt ihren Bruder. Nein, das sollten wir noch ein wenig präziser fassen: Sie ist vollkommen
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