Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
er nun aus dem Regen herauskommen wollte oder nicht – oder eben der Kälte. Aber in Wahrheit ließ sich natürlich niemand davon täuschen.
»Sicher hole ich mir hier nicht gleich den Tod, Gharth«, erklärte Cahnyr geduldig. »Und selbst wenn, legt Madame Pahrsahn stets Wert auf Gerechtigkeit. Meine Sturheit wird sie Ihnen also kaum vorwerfen. Vor allem, wo es doch so viele Zeugen gibt, die gewiss bereitwillig aussagen würden, Sie hätten unablässig herumgenörgelt, um mich zur Vernunft zu bringen.«
»Ich nörgele nicht, Eure Eminenz!« Der Schnee knirschte unter Gharths Schuhen, als er nun den Innenhof durchquerte. Nach Kräften bemühte er sich, nicht zu grinsen. »Ich versuche doch bloß, Euch derlei Dinge auszureden. Manchmal auch mit ein wenig Nachdruck, das gebe ich wohl zu. Aber ich lasse es dabei niemals am gebührenden Respekt mangeln. Also, würdet Ihr jetzt wohl bitte Euren ehrwürdigen, höchst respektierlichen, geweihten Hintern wieder ins Warme schaffen?«
»Darf ich wenigstens erst noch bis zu den Ställen gehen?« Fragend neigte Cahnyr den Kopf zur Seite. »Ich möchte sehen, wie die Reparatur der Schlittenkufe vorangeht.«
»Ich habe gerade schon mit den Handwerkern gesprochen, Eure Eminenz. Sie sagen, bis zum Abendessen sollten sie fertig sein. Also können wir wohl morgen gleich nach dem Frühstück aufbrechen. Mir bricht es zugegebenermaßen nicht das Herz, dass wir heute Abend gemeinsam an einem gemütlichen Feuer sitzen. Beruhigend, dass Ihr diese Nacht ein anständiges Dach über dem Kopf habt und ich Euch morgen noch ein warmes Essen vorsetzen kann, bevor es wieder losgeht.« Er trat neben den Erzbischof auf die Veranda und verschränkte die Arme vor der Brust. »Und jetzt, nachdem das gesagt ist, kommt bitte wieder ins Warme, Eure Eminenz – das ist mein Ernst! Sahmantha gefällt Euer Husten gar nicht. Und Ihr werdet Euch doch gewiss noch erinnern, dass Ihr versprochen habt, immer brav auf sie zu hören, bevor Madame Pahrsahn, der Reichsverweser und Erzbischof Dahnyld Euch gestattet haben, überhaupt auf diese Reise zu gehen.«
Es war hinterhältig, ihn ausgerechnet daran zu erinnern. Sahmantha Gorjah hatte ihren erst kürzlich geborenen Sohn in Siddar-Stadt zurückgelassen, um ihren Gemahl – und Cahnyr – bei der Rückreise nach Gletscherherz zu begleiten. Gewiss, der kleine Zhasyn befand sich in der Obhut von Aivah Pahrsahn, einer der wohlhabendsten Frauen auf ganz Safehold. Bei ihr konnte man sich darauf verlassen, dass sie das Kind verteidigen würde wie ein Catamount sein Jungtier. Aber Sahmantha hatte ihr Neugeborenes zurückgelassen. Das hatte sie nur getan, weil ihr Ehemann und sie sich als die Kinder ansahen, die Erzbischof Zhasyn Cahnyr nie gehabt hatte. Sie hatten sich rundweg geweigert, ihn diese Reise allein antreten zu lassen. Dazu kam, dass Sahmantha ausgebildete Heilerin war. Sie hatte zwar nie das Gelübde abgelegt, um eine Schwester Pasquales zu werden. Doch der Orden hatte ihre eine vollständige Ausbildung angedeihen lassen. Sahmantha war der festen Absicht, diese Ausbildung nun dazu zu nutzen, den unbestreitbar gebrechlichen Erzbischof, den sie so sehr liebte, nach Kräften zu pflegen.
Natürlich würde sie, gerade unter den gegebenen Umständen, weidlich andere Möglichkeiten finden, ihre Fertigkeiten zum Einsatz zu bringen. Für Heiler gab es derzeit mehr als genug zu tun – auch Fälle, vor denen Cahnyr Sahmantha nur zu gern bewahrt hätte. Angesichts dieser Vorstellung verfinsterte sich dessen Miene. Nicht, dass es seine Idee gewesen wäre … oder die von Gharth. Nein, Sahmantha selbst hatte sich das ausgedacht, und sie ließ sich nicht davon abbringen. Natürlich war sie schon immer eigensinnig gewesen, selbst schon, als ihre selige Mutter noch die Haushälterin eines gewissen einfachen Pater Zhasyn gewesen war. Noch nie war es Cahnyr gelungen, Sahmantha von etwas abzubringen, das sie sich in den Kopf gesetzt hatte. Nie hatte er es geschafft, sie zu etwas zu bewegen, was sie eben nicht tun wollte. Und dieses Mal hatte sie auch noch Hilfe, sogar im Übermaß. Schließlich hatten der Reichsverweser, Aivah Pahrsahn und dieser junge Springinsfeld Fardhym darauf bestanden, dass Cahnyr von einem ausgebildeten Heiler begleitet würde, sonst würde man ihm diese Reise nicht gestatten.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, war Cahnyr deutlich älter als Erzbischof Dahnyld Fardhym, der jüngst ins Amt eingesetzte Bischof der Erzdiözese Siddarmark. Der
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