Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
stimmen. Vielleicht verlässt er sich ja auch auf Gerüchte und Hörensagen. Aber eigentlich klingt der Text nicht danach. Unterzeichnet ist das Schreiben von einem Ahbraim Zhevons. Dieser Name steht auf der Liste der Agenten, denen man uneingeschränkt vertrauen kann – und ich möchte hinzufügen, dass Prinz Nahrmahn, Baron Wave Thunder und Sir Ahlber diese Liste überprüft haben. Es finden sich in diesem Text tatsächlich alle richtigen Kode-Formulierungen, die zu dem genannten Agenten gehören. Also muss ich die Depesche wohl ernst nehmen. Aber wenn Zhevons recht hat, dann stellt das unsere bisherigen Einsatzpläne für die Armee im kommenden Jahr völlig auf den Kopf.«
»Danach klingt es, das stimmt wohl«, bestätigte Clareyk langsam und bedächtig und lehnte sich in seinem Sessel wieder zurück.
Im Gegensatz zu Herzog Eastshare wusste Clareyk genau, wie die Nachricht ihr Ziel erreicht hatte. Allerdings war er selbst ein wenig überrascht, dass sie derart früh in Chisholm eingetroffen war. Immerhin waren die Straßen, auf denen der Kurier gereist sein musste, völlig vereist. Nun, man musste schon Fantasie haben, um den Begriff ›Straße‹ überhaupt auf die schmalen, felsigen Trampelpfade anzuwenden, die durch die dichten Wälder führten. Unter seiner Tarnidentität Zhevons hatte Merlin Athrawes persönlich die Depesche auf den Weg gebracht: vom Eisen-Kap aus, der westlichsten Landzunge von Raven’s Land, auf der anderen Seite der Sturmpassage der Provinz Rollings. Ein Bote, der über Land reiste, konnte Chisholm ungleich schneller erreichen, als eine auf dem Seeweg über Charis geschickte Nachricht. Das galt auch trotz dieses entsetzlichen Winters und obwohl seit Ausbruch des Heiligen Krieges die Kette aus Semaphorentürmen in Raven’s Land nicht mehr funktionierte.
Und natürlich hätte die Nachricht dann erst einmal offiziell in Charis eintreffen müssen, bevor jemand ein Kurierboot nach Cherayth schicken könnte , dachte Clareyk.
»Offenkundig ist die Depesche mehrere Fünftage alt«, fuhr Eastshare fort. »Aber wer auch immer dieser Zhevons nun sein mag, ganz offenkundig wusste er genau, welche Informationen wir benötigen. Er hat übrigens eine Abschrift auch nach Tellesberg geschickt. Sagt er.«
»Hat er ausgeführt, warum er sich an Sie gewandt hat, Euer Durchlaucht?«
»Nicht ausdrücklich, nein. Aber er scheint angesichts der Lage offensichtlich der Meinung, wir sollten unsere militärischen Prioritäten überdenken. Und damit hat er verdammt noch mal recht. Deswegen wollte ich Sie ja auch unbedingt noch heute sprechen. Einen Großteil der eigentlichen Planung werden Sie übernehmen müssen, General, und dazu sollten Sie so rasch wie möglich in die neue Lage eingeweiht sein.«
»Das weiß ich zu schätzen, Euer Durchlaucht«, erwiderte Clareyk und verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen.
»Sobald meine Schreiber damit fertig sind, erhalten Sie umgehend eine Abschrift der Depesche.« Eastshare kippte seinen Sessel ein wenig zurück und legte beide Arme auf die Armlehnen. »Aber wenigstens die wichtigsten Punkte möchte ich schon jetzt ansprechen. Danach sollten Sie sich mit Ihrem eigenen Stab zusammensetzen und eine Liste erstellen, was wir in die Siddarmark schicken können, falls uns der Reichsverweser um Unterstützung ersucht.«
»Dieser Zhevons glaubt, der Reichsverweser könnte allen Ernstes derart weit gehen?« Green Valley hob die Augenbrauen; Eastshare antwortete mit einem Schulterzucken, ehe er fortfuhr.
»Vorausgesetzt Zhevons Informationen stimmen, wird Stohnar kaum etwas anderes übrig bleiben. Es klingt ganz so, als hätte Clyntahn sein Bestes gegeben, dem Reichsverweser einen Dolch in den Rücken zu stoßen – beinahe wörtlich genommen. Es war wohl verdammt knapp. An wen sonst könnte sich die Republik sonst wenden auf der Suche nach einem Verbündeten? Einem, der sich Seite an Seite mit der Siddarmark Mutter Kirche und der Inquisition entgegenstellt, wohlgemerkt! Fällt Ihnen da noch jemand ein?«
»Wenn Sie es so ausdrücken, dann nicht«, räumte Clareyk ein.
»Na ja, dann müssen wir es wohl für ausgemachte Sache halten. Er wird, falls er diesen Winter wirklich übersteht, von uns so viel Hilfe haben wollen, wie sich das eben bewerkstelligen lässt. Diese Unterstützung sollten wir ihm so früh wie möglich zukommen lassen. Zhevons’ Depesche lässt vermuten, dass die Republik in den kommenden Monaten erst einmal eher auf Lebensmittellieferungen als auf
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