Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
Truppen angewiesen sein wird. Aber die Siddarmark grenzt nun einmal über eine ziemlich lange Strecke hinweg an die Randstaaten, an Desnairia und Dohlar. Im Spätfrühling oder allerspätestens im Frühsommer wird es in den westlichen Provinzen der Republik nur so wimmeln von Truppen der Nachbarstaaten, Shan-wei noch mal! Im Spät sommer werden wahrscheinlich sogar Truppen aus Harchong versuchen, einen Teil der Provinzen zu besetzen. Im Augenblick würde ich behaupten, Stohnars Lage sieht alles andere als rosig aus. Aber wenn er durchhält und wenn uns Mittel und Wege einfallen, wie wir in ernst zu nehmender Zahl Truppen in die Republik schaffen können, dann haben wir zumindest eine reelle Chance, dort genau die Ausgangsbasis auf dem Festland zu bekommen, die wir so dringend brauchen. Wenn Stohnar allerdings untergeht, steuern wir auf eine echte Katastrophe zu. Dann ist jegliche Hoffnung verloren, es könnten sich auch noch andere Festlandreiche zum Widerstand gegen Clyntahn entschließen. Geht Stohnar nicht unter, haben wir vielleicht endlich den Verbündeten, den wir brauchen, um gegen die ›Vierer-Gruppe‹ auf deren eigenen Grund und Boden vorzugehen.«
An strategischem Instinkt mangelt es Eastshare wahrlich nicht!, dachte Clareyk. Dem Herzog konnte Zhevons’ Depesche höchstens seit einer oder zwei Stunden vorliegen, und schon jetzt wusste er ganz genau, wie zu verfahren war. Er war ganz offenkundig auch bereits damit beschäftigt, Pläne für ein aktives Eingreifen in der Republik zu ersinnen, obwohl ihn das Kaiserpaar bislang noch nicht damit beauftragt hatte. Das war ganz genau die Art Eigeninitiative, auf die Cayleb und Merlin gehofft hatten, als sie die Depesche abgesandt hatten. Clareyk war stolz auf seinen Vorgesetzten, als er nun sah, wie sich Eastshare der Herausforderung bereitwillig stellte.
»Also gut«, sagte der Herzog, »laut Zhevons muss das Ganze schon vor Monaten in Zion seinen Anfang genommen haben. Anscheinend hat Clyntahn …«
April,
im Jahr Gottes 896
.I.
Königlicher Palast,
Tellesberg,
Altes Königreich Charis,
Kaiserreich Charis
»Ich hoffe, es erwischt sie bei der Amboss-Überquerung nicht zu hart«, meinte Cayleb Ahrmahk düster.
Der Kaiser von Charis stand am Fenster des Turms und blickte auf die Howell Bay hinaus, den Arm um seine Gemahlin geschlungen. Seine rechte Hand ruhte auf der Hüfte der Kaiserin; sanft drückte er seine Frau an sich. Sie hatte den Kopf an seine Schulter gelehnt. Ihr Blick war ebenso düster wie der ihres Mannes, dennoch schüttelte sie den Kopf.
»Das sind alles erfahrene Leute«, sagte sie und schaute zu dem Wald aus Masten und Segeln hinüber, die den Kai von Tellesberg langsam hinter sich ließen. Der Geleitzug bestand aus mehr als sechzig Handelsgaleonen, eskortiert von zwei vollständigen Geschwadern Kriegsgaleonen. Abgeschirmt wurde der Verband von einem Dutzend schwer bewaffneter Schoner der Imperial Charisian Navy. Während der Konvoi die Charis-See durchquerte, sollten sich ihm weitere fünfundzwanzig Galeonen aus Eraystor anschließen. Das war bereits der dritte Geleitzug, der von Tellesberg aus aufbrach. Insgesamt war es sogar schon der sechste Konvoi für die Siddarmark: Weitere Verbände waren von Emerald und Tarot aus aufgebrochen. Es war sehr unwahrscheinlich, dass sich noch eine weitere Hilfslieferung zusammenstellen ließe, die rechtzeitig genug käme, um sonderlich viel auszurichten. Außerdem gab es einfach nicht mehr genug Lebensmittel in Charis, Emerald oder Tarot, um überhaupt die Frachträume eines weiteren Verbandes zu füllen. Es grenzte schon an ein Wunder, dass sie überhaupt so viel hatten auftreiben können: Diesen Geleitzug mitgezählt, hatten sie mehr als fünfhundert Galeonen ausgeschickt, die zusammen hundertvierzigtausend Tonnen Lebensmittel und mehr als eine Viertelmillion Tonnen Viehfutter transportiert hatten. Für ein Reich, dessen Technologie nicht über Segel und kleine, aus Holz gebaute Schiffe hinausging, hatte Charis fast Übermenschliches geleistet. Aber auch das reichte nicht aus. Denn der Vorrat an haltbaren und frischen Lebensmitteln war nun einmal nicht unbegrenzt. Auf den drei großen Inseln waren die Preise ins Unermessliche gestiegen, als Krone und Kirche gleichermaßen jede nur entbehrliche Mark darauf verwendet hatten, alle verfügbaren Lebensmittel anzukaufen und sie in die Hunger leidende Siddarmark zu schicken. Die Kosten waren immens. Krone und Kirche hatten sie übernommen, ohne auch nur
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