Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
und ein paar Tränen verdrückte, statt Euch – mit allem gebührenden Respekt natürlich! – in den Hintern zu treten?«
»Es wäre auf jeden Fall mal etwas Neues«, versetzte Cayleb knochentrocken. Wieder lachte der Erzbischof stillvergnügt. Dann blickte er das Kaiserpaar an, wölbte eine Augenbraue und deutete auf den kleinen Konferenztisch. Er stand unter einem der Oberlichter im schrägen Dach des Turmzimmers.
»Ja, dann sollten wir wohl«, seufzte Cayleb, führte Sharleyan zu ihrem Sessel und rückte ihn ihr zurecht. Dann wartete er ab, bis auch Staynair Platz genommen hatte, bevor er sich ebenfalls setzte.
»Ich freue mich schon darauf, wenn Ihr wieder nach Hause kommt, Merlin. Über diese Entfernungen hinweg kann ich Euch einfach nicht anständig erwürgen«, sagte er in den Raum hinein. Nun war es an Merlin, zu lachen.
»Wir sehen uns morgen«, versprach er. »Dann dürft Ihr mich nach Herzenslust erwürgen. Oder es zumindest versuchen. Aber die Reise war es wert. Wir werden Mahndrayn natürlich niemals ersetzen können; sein Verlust hinterlässt wirklich eine gewaltige Lücke. Aber Captain Rahzwail hat mich als sein Ersatz beeindruckt – weitaus mehr, als ich erwartet hatte. Es sollte mich nicht überraschen, wenn er schon bald zu einem Kandidaten für den Inneren Kreis wird.«
»Seid Ihr da nicht ein bisschen voreilig?«, fragte Cayleb spöttisch. Merlin, der im Schneidersitz auf einer Zinne der Zitadelle von King’s Harbour saß, reagierte mit einem Schulterzucken.
»Ich schlage doch nicht vor, ihm schon morgen alles zu erzählen, Cayleb«, gab er zu bedenken. »Aber er scheint mir die erforderliche … geistige Flexibilität und Unerschütterlichkeit zu besitzen, um die Wahrheit locker wegzustecken. Und wenn man sich anschaut, welchen Posten er schon bald besetzen soll, wäre das zweifellos hilfreich.«
»Nicht so hilfreich, wie Ahlfryd einzuweihen.« Sharleyan klang ungewohnt scharf. Erstaunt blickte Cayleb sie an. »Ich verstehe ja, warum wir ihn nicht einweihen können«, fuhr die Kaiserin sichtlich angespannt fort. »Aber wir haben auch schon andere eingeweiht, bei denen die Bruderschaft sich einig war, es sei deutlich riskanter als bei Ahlfryd. Und im ganzen Kaiserreich gibt es niemanden, der unser Vertrauen mehr verdient hätte als er.«
»Und außerdem ist er Euch ein lieber Freund«, setzte Staynair sanft hinzu. Sharleyans Blick zuckte zu ihm hinüber. In ihren Augen blitzte Zorn, doch Staynair erwiderte ihren Blick völlig ruhig und gelassen.
»Das hat nichts mit meiner Einschätzung zu tun, wie nützlich es wäre, ihn in den Inneren Kreis aufzunehmen, Maikel«, sagte sie tonlos.
»Nein, aber es hat eine ganze Menge damit zu tun, dass Ihr Euch schuldig fühlt, ihn bislang noch nicht eingeweiht zu haben.« Kaum merklich schüttelte Staynair den Kopf. »Ihr haltet Euch für treulos, weil es Euch nicht gelungen ist, die Bruderschaft von Ahlfryd Hyndryks Zuverlässigkeit in dieser Sache zu überzeugen.«
Einige Sekunden lang durchbohrte die Kaiserin den Erzbischof nur schweigend mit ihrem Blick. Dann senkte sie den Kopf und betrachtete ihre schlanken Hände, die sie zusammengefaltet auf den Tisch gelegt hatte. Sie verkrampfte die Finger so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Sanft, fast liebevoll, legte der Erzbischof eine seiner ungleich größeren Hände darauf.
»Ich verstehe das doch, Sharley«, sagte er leise. »Aber vergesst nicht, auch Bryahn war Euch ein Freund, und Bryahn hat sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen, Ahlfryd die Wahrheit zu erzählen. Und Ihr wisst auch ganz genau, warum er das getan hat, nicht wahr?«
Sharleyan hob nicht den Kopf. Doch nach einem Augenblick des Nachdenkens nickte sie kaum merklich. Traurig lächelte Staynair, den Blick auf die Krone seiner Kaiserin gerichtet.
Sir Ahlfryd Hyndryk, Baron Seamount, war möglicherweise der genialste Flottenoffizier, den Charis zu bieten hatte, einer der schlauesten Köpfe seiner Generation. Während ihrer ersten Reisen nach Charis hatte sich Sharleyan bevorzugt an ihn gewandt. Jedes Mitglied des allmählich anwachsenden Kreises derjenigen, die die Wahrheit kannten – die Wahrheit über die Terra-Föderation und die kolossale Lüge, die hinter der Kirche des Verheißenen steckte –, kannte ihn bestens und schätzte ihn immens. Doch Sharleyan stand Ahlfryd näher als jeder andere, vielleicht von Staynairs Bruder Domynyk einmal abgesehen. Kein einziges Mitglied des Inneren Kreises zweifelte an
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