Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
einschiffen, nachdem er alle zur Verfügung stehenden Schiffe an einer Stelle zusammengezogen hatte, und zwar auf der Ostseite von Chisholm. Wären endlich sämtliche Truppen eingeschifft, befänden sie sich mehr als zwölftausend Meilen von Siddar-Stadt entfernt. Die Überfahrt würde dann also siebenundvierzig Tage dauern.
Wahrscheinlich könnte Eastshare einige Transporter aus Corisande herbeirufen, wenn auch nicht allzu viele. Nicht genug, um einen echten Unterschied zu machen. Nur vom Alten Charis könnte er tatsächlich genug Schiffe erbitten. Aber selbst bei idealen Windverhältnissen würde ein Kurierboot mehr als einen Monat benötigen, um von Maikelberg aus Tellesberg zu erreichen. Danach bräuchten Cayleb und Sharleyan mehrere Fünftage, um Schiffe von den Siddarmark-Hilfsmaßnahmen abzuzweigen und zusammenzuziehen. Dies vorher schon zu tun, ohne von Eastshare dazu aufgefordert zu sein, verbot sich angesichts der prekären Lage der Republik und um nicht noch mehr Gerüchte über die Weitsicht des Kaiserpaars aufkommen zu lassen. In Chisholm eintreffen würden die dann zusammengezogen Galeonen erst in anderthalb bis zwei Monaten.
Um diese Verzögerungen zu umgehen, blieb Eastshare und Green Valley nur, ihre Truppen auf dem ungeliebten Landweg, dafür aber rascher in die Siddarmark zu schaffen. Die Lösung, die gegen jede Vermutung des Inneren Kreises der Herzog selbst und nicht der Baron vorgeschlagen hatte (der angewiesen war, es ansonsten zu tun), war radikal. Das sprach natürlich Bände darüber, wie bemerkenswert flexibel Eastshare doch dachte.
Er hatte zwar nicht genug Transporter für Truppen in ausreichender Stärke zur Verfügung. Aber was er an Schiffen hatte, reichte aus, um Versorgungsgüter zu befördern – vor allem Nahrungsmittel und Futter. Genau das war die Achillesferse einer jeden vorindustriellen Armee. Vorausgesetzt, Jahreszeit und Erntestand ließen dergleichen überhaupt zu, verlangsamte Proviantbeschaffung für Mensch und Tier eine solche Armee extrem: Zehn Meilen am Tag schaffte sie, mehr nicht, und ließ obendrein, einem Heuschreckenschwarm gleich, geplünderte Landstriche zurück. Ohne sich selbst beim Marsch verprofiantieren zu müssen, entschieden nur noch zwei Faktoren über die Marschgeschwindigkeit einer Armee: Tageslichtdauer und Straßenverhältnisse.
Deswegen hatte Eastshare sich daran gemacht, sämtliche Truppen in Chisholms Westen in Ahlysberg zusammenzuziehen. Die Garnison dort bildete im Verein mit Befestigungsanlagen die sogenannte Grenzwehr zwischen dem westlichen Krongut und Raven’s Land. Ahlysberg war zugleich der westlichste Seehafen Chisholms. Entsprechend waren die dortigen Lagerhäuser mit Lebensmitteln, Winterkleidung, Stiefeln und Tierfutter bestens ausgestattet. Die Galeonen, die Eastshare aus Cherayth und Port Royal requirieren konnte, wurden bereits jetzt in Chisholms Osthäfen mit Lebensmitteln und anderen Versorgungsgütern beladen. Innerhalb des nächsten Fünftages sollten sie Richtung Ahlys Bay in See stechen. Der Plan sah vor, sie dann entlang der Südküste von Raven’s Land von Insel zu Insel springen zu lassen und so eine rasch nach Westen vorrückende Armee nach Bedarf zu versorgen.
Bei der Chisholmian Royal Army hatte man schon immer Wert darauf gelegt, auf jede Lage vorbereitet zu sein und hatte das mit Manövern stets geübt. Daher war es nicht ungewöhnlich, wenn ein ganzes Bataillon ohne jegliche Vorankündigung angewiesen wurde, mit vollem Marschgepäck und eisernen Rationen für zwei Tage einen Sechzig-Meilen-Marsch zu absolvieren (auch mitten im dicksten Februarschnee oder in drückender Junihitze). Diese Grundeinstellung hatte die Imperial Charisian Army unverändert übernommen. Dass die Lords von Raven’s Land Zuwendungen in gleicher Weise zugeneigt waren wie früher (von Bestechungsgeldern zu sprechen wäre unziemlich gewesen), stand zu hoffen. Auch das bedurfte einer Voraussetzung, nämlich, dass Bischof Trahvys Shulmyn die Lords nicht dazu bewegen konnte, es sich in Charis’ Fall anders zu überlegen. Doch ginge alles glatt, könnten Eastshare und Green Valley theoretisch geradewegs bis zum Eisen-Kap gelangen. Bei einem Marschtempo von vierzig Meilen am Tag bräuchten sie trotz enger, vereister Straßen von der Grenzwehr bis zur Stadt Marisahl in der Ramsgate Bay nur vierzig Tage. Nach weiteren zwanzig Tagen wären sie von dort bis zur achthundert Meilen weiter westlich gelegenen Malphyra Bay gekommen. Auf diese Weise
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