Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
nicht die Argumente derjenigen ignorieren oder zurückweisen, die sich für diese Entscheidung ausgesprochen haben. Ich kann auch nicht von der Hand weisen, dass Bischof Trahvys wegen dringender Geschäfte die Kathedrale von Marisahl verlassen musste – ausgerechnet in dem Fünftag, in dem wir über genau diese Entscheidung abzustimmen hatten … wie der Bischof ganz genau wusste.«
Parkair schaute auf seinen Teller, betrachtete schweigend das halbe Omelett. Dann hob der Clanlord den Blick, darin eine Härte, wie Adym sie noch nie an seinem Vater erlebt hatte.
»Es kann nicht Gottes Wille sein, dass Seine Diener Frauen und Kinder mitten im Winter wissentlich verhungern lassen. Kinder!« Parkair suchte den Blick seiner Frau. Mit einem Mal wirkte er gehetzt. »Neugeborene, Kinder, die nie Gelegenheit hatten, sich bewusst für Gott zu entscheiden! So viel weiß ich, auch wenn ich sonst kaum etwas wissen mag.« In seiner Stimme schwang der Schmerz eines Clanlords mit, der in seinen eigenen Landen nur allzu oft Unterernährung erlebt hatte. »Der Befehl, Nahrungsmittel zu vernichten, kam aus Zion selbst. Es befinden sich genug unserer eigenen Leute in der Republik. Deswegen weiß ich genau, dass Eastshare und die Charisianer uns, was das betrifft, nichts als die Wahrheit berichtet haben. Was auch immer sonst wahr sein mag: Mutter Kirche hätte einen solchen Befehl niemals ausgegeben. Dieser Befehl kam vom Großinquisitor. Also werden wir uns letztendlich entscheiden müssen, ob Zhaspahr Clyntahn wahrlich für Gott und Seine Kirche spricht.
Ich weiß nicht, was letztendlich mit der Kirche geschehen wird. Was auch immer kommen mag, ich werde niemals mein Schwert gegen sie erheben! Aber wenn nicht jemand das alles aufhält, kann die Kirchenspaltung nur dauerhaft sein. Es wird keine Hoffnung auf Heilung oder Versöhnung geben. Denn dann bleibt den Reformisten gar keine andere Wahl, als endgültig mit Zion und dem Großvikar zu brechen. Auch dem Großinquisitor kann es dann nicht mehr gelingen, den Hass auszulöschen, den er immer weiter anfacht.
Ich bin gewiss kein Theologe, anders als Vikar Zhaspahr. Aber ich beobachtete nun schon seit fünfzig Jahren die Menschen. Wir von den Clans sind störrischer als die meisten anderen, und wir sind sogar stolz darauf. Aber letztendlich sind wir auch nicht so viel anders als die anderen. Nicht einmal Vikar Zhaspahr kann wirklich jeden umbringen lassen, der anderer Meinung ist als er selbst. Aber genau das scheint er zu beabsichtigen, und nur Shan-wei kann daraus Profit schlagen! Und im Grunde meines Herzens fürchte ich, dass die einzige Macht auf Safehold, die Clyntahn jetzt noch aufhalten kann, in Tellesberg residiert … und dass er sich nur durch das Schwert aufhalten lassen wird, das ich niemals gegen Mutter Kirche richten kann. Dafür … schäme ich mich, in vielerlei Hinsicht. Doch all meine Trauer und Scham vermögen die Wahrheit nicht zu ändern.«
Adym Parkair blickte seinen Vater an. Er hörte den Schmerz in dessen Stimme und spürte die Aufrichtigkeit in jedem seiner Worte. Sanft legte Adym seinem Vater die Hand auf den Arm.
»Du hast recht, Vater«, sagte er leise. »Ich wünschte, es wäre nicht so, aber du hast recht.«
»Natürlich habe ich recht!« Sanft tätschelte der Lord die Hand, die immer noch auf seinem Arm lag, und bemühte sich bewusst um einen deutlich leichteren Ton. Es gelang ihm zwar nicht, aber trotzdem brachte Lord Shairncross ein Lächeln zustande. »Natürlich habe ich recht! Ich bin ja schließlich ein weiser Mann und verfüge über beachtliche Menschenkenntnis!«
»Das hast du mir gegenüber zumindest immer behauptet«, gab Adym zurück, und sein Vater lachte.
»Deinem Vater solltest du immer vertrauen«, versicherte der Lord seinem Sohn. Dann straffte er die Schultern und griff erneut nach seiner Teetasse.
»Pragmatisch betrachtet«, fuhr er fort, »könnte es sich sogar als … unklug erweisen, Herzog Eastshare den Marsch durch Raven’s Land zu verwehren. Clansleute gibt es nicht gerade in großer Zahl. Eine chisholmianische Armee aufzuhalten, von einer charisianischen Armee ganz zu schweigen, gelänge uns wohl kaum. Schon gar nicht gegen neumodische Waffen. Deswegen kann Charis’ Armee den Weg marschieren, den sie nach eigenem Belieben wählt. Auch die Charisian Navy ist nicht auf unsere Erlaubnis angewiesen, um Orte wie die Theralt Bay anzusteuern und der Armee Versorgungsgüter zu liefern. Genau das hat Suwail, dieser Idiot, ja erst
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