Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
verschwand sofort wieder, als er zum Fenster hinüberschaute: Der Schneefall war noch dichter geworden.
»Ich hätte nie gedacht, den Tag zu erleben, an dem die Söhne und Töchter Gottes zwischen zwei völlig unterschiedlichen Gruppen wählen müssen, die beide für sich in Anspruch nehmen, in Seinem Namen und denen der Erzengel zu sprechen«, sagte er leise. »Diesen Tag wollte ich auch nie erleben müssen. Aber jetzt ist er nun einmal da, und wir müssen damit zurechtkommen, so gut wir eben können.«
Sein Blick wanderte zurück zu Frau und Sohn.
»Ich weiß, dass ihr beide, was diese Sache betrifft, mir gegenüber allmählich … ungeduldig geworden seid.« Adym wollte schon etwas erwidern, doch er schwieg, als Parkair die Hand hob. »Ich habe ›ungeduldig‹ gesagt, Adym, und genau das habe ich auch gemeint. Ehrlich gesagt, war ich auch mit mir selbst ungeduldig. Ein Mann muss wissen, woran er glaubt. Er muss wissen, wo er steht und was Gott von ihm verlangt. Und er muss den Mut haben, seinen Standpunkt zu verteidigen. Er muss Position beziehen. Aber schon seit dieser Krieg begonnen hat, ringe ich mit mir selbst – vor allem seit diesem Zwischenfall in Ferayd und dem, was im letzten Winter in Zion geschehen ist. Alles sollte eigentlich sonnenklar sein, aber das ist es nicht. Und selbst wenn alles so einfach und unzweideutig wäre, wie ich das gern hätte, hat ein Clanlord Pflichten. Er trägt Verantwortung! Ein einfacher Mann kann jede Position vertreten, die Gott und sein Gewissen von ihm verlangen, solange er bereit ist, die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen. Aber ein Clanlord, der für das ganze Volk verantwortlich ist, das zu ihm aufschaut und von ihm geführt werden will … Derartige Entscheidungen ziehen Konsequenzen nach sich, die viel zu viele Menschen betreffen, als dass er eine solch bedeutende Entscheidung einfach impulsiv treffen darf. Also muss er sich selbst immer wieder fragen, ob er überhaupt das Recht hat, jene anderen dorthin mitzunehmen, wohin ihn seine eigene Entscheidung letztendlich führen wird.«
Es war sehr still im Esszimmer. Shairncross’ Gesicht verfinsterte sich. Dann blickte er zwischen den beiden Menschen hin und her, die in seinem Leben am wichtigsten waren.
»Langhorne persönlich hat auf Gottes Befehl hin alle Menschen in die Obhut von Mutter Kirche gegeben. Wir schulden ihr Gehorsam – nicht nur, weil Langhorne sie geschaffen hat, sondern weil er einen Grund hatte, sie zu erschaffen: Sie sollte die Hüterin der Seelen aller Menschen sein, die Bewahrerin von Gottes Welt und der Hoffnung auf Unsterblichkeit all Seiner Kinder. Und doch … und doch …« Traurig schüttelte er den Kopf. »Mutter Kirche spricht nun mit der Stimme Zhaspahr Clyntahns, und was sie sagt, treibt einen Keil tief in ihr Herz. Bischof Trahvys hat hier in Raven’s Land sein Bestes gegeben, die Lage zu beruhigen. Aber selbst ein so guter Mensch wie er kann bestenfalls verbergen , mit welcher Schärfe jene Stimme in Zion spricht. Er kann bestenfalls verbergen, dass er selbst in vielem anderer Ansicht ist.«
Erneut schüttelte der Sprecher der Lords den Kopf, die Miene düster.
»Ich weiß nicht, wie das alles angefangen hat oder warum Clyntahn und die anderen«, es entging Adym nicht, dass er es selbst hier und jetzt vermied, den Begriff ›Vierer-Gruppe‹ auszusprechen, »Charis zerstören wollen. Aber eines weiß ich: Wäre ich an Haarahld Ahrmahks Stelle gewesen, hätte ich gehandelt wie er. Für mich besteht auch keinerlei Zweifel daran, dass es in Wahrheit Vikar Zhaspahr ist, der die Kirchenspaltung vorantreibt. Vielleicht tut er damit genau das Richtige. Ein wahrer Diener Shan-weis muss weiß Langhorne seine gerechte Strafe erhalten, genau wie Schueler das befiehlt. Aber Vikar Zhaspahrs Entscheidungen rechtfertigen den Trotz, den die sogenannte Kirche von Charis dem Tempel entgegenbringt! Ich verstehe durchaus, dass jemand wie Maikel Staynair, Sharleyan von Chisholm oder Cayleb Ahrmahk hinter allen Entscheidungen und allem Handeln der Inquisition die Hand Shan-weis wähnen. Nichts davon ändert etwas daran, dass sie sich der Autorität des Großvikars entgegenstellen und damit Mutter Kirche gefährden.
Deswegen ist die ganze Lage für mich alles andere als sonnenklar. Aber ob sie nun sonnenklar ist oder nicht: Es ist unsere Pflicht, Entscheidungen zu treffen, und der Rat hat seine Entscheidung getroffen. Ich kann nicht behaupten, diese Entscheidung gutzuheißen. Aber ich kann auch
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