Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
vor wenigen Jahren am eigenen Leib zu spüren bekommen.«
Parkairs Lächeln war zwar immer noch angespannt, aber dieses Mal erkannte Adym darin echte Belustigung.
»Wir könnten den Charisianern den Marsch natürlich äußerst erschweren. Wir könnten dafür sorgen, dass sie nur langsam vorankommen. Wir könnten wie Stechmücken über sie herfallen und sie bluten lassen. Aber dabei würden wir ungleich größere Verluste erleiden. Damit«, seine Miene versteinerte erneut, »würden wir Raven’s Land in eine menschenleere Ödnis verwandeln, zu der gerade die Provinzen Gletscherherz und Shiloh zu verkommen drohen. Es überrascht mich überhaupt nicht, dass der Rat sich gegen ein solch zweckloses Unterfangen entschieden hat wie das, Charis aufhalten zu wollen. Wie sehr ich persönlich auch an der Redlichkeit der Kirche von Charis zweifeln mag, auch ich werde derlei Dinge nicht zulassen.
Also …«, Parkair atmete tief durch, »warum nicht das Beste aus etwas machen, was wir sowieso nicht beeinflussen können? Warum nicht profitieren davon?«
»Profitieren?« Lady Zhain legte die Stirn in Falten, als empfinde sie diesen Gedanken als geradezu geschmacklos. Das leise Lachen ihres Mannes war dieses Mal tatsächlich Belustigung.
»Natürlich, Liebling, hegen wir Highlander für all jene dekadenten Luxusgüter, die man für Geld kaufen kann, nichts als Verachtung. Dennoch kann selbst für uns Geld durchaus nützlich sein. Zumindest Menschen wie Suwail denken so. Aber es gibt mehr als eine Möglichkeit, von dieser Lage zu profitieren.«
»Du denkst an das Wohlwollen der Charisianer, oder, Vater?«
»Gewissermaßen, ja«, bestätigte Parkair, wandte sich erneut seinem Sohn zu und nickte anerkennend. »Das Kaiserreich wird nicht einfach wieder verschwinden – ganz egal, was sonst noch passiert. Wenn wir uns mit Charis’ Feinden verbünden, könnte das das Kaiserpaar dazu bewegen, unser Territorium einfach besetzen zu lassen, so wie sie es mit Zebediah und Corisande gemacht haben. Ich nehme zwar an, dass Charis darauf lieber verzichten würde. Tatsache bleibt, dass das Leben des Kaiserpaars ungleich einfacher wäre, hätte es Raven’s Land in seiner Gewalt. Schließlich reicht dafür, die Grenzwehr zu überwinden. Mit Corisande hatte Charis mehr zu tun: Erst wollte ein gewaltiges Meer durchquert sein, und dort gab es auch ungleich mehr Verteidiger. Richtig: Marschierte Charis in Raven’s Land ein, dann müsste es sich wahrscheinlich mit einem Aufstand nach dem anderen herumschlagen – so sind die Clans nun einmal. Aber einnehmen könnte Charis unser Territorium eben doch. Ehrlich gesagt wäre es geradezu dämlich vom Kaiserreich, das nicht zu tun, würden wir uns zu seinem Feind machen. Und dämlich ist Sharleyan von Chisholm wahrlich nicht! Dafür, dass ihr Gemahl weniger Grips hätte als sie selbst, hat sich bislang kein Hinweis gefunden.«
Parkair schwieg einen Moment und hob die Augenbraue. Nachdrücklich nickte Adym.
»Es ist daher viel sinnvoller, die Charisianer auf unserem Territorium willkommen zu heißen und alles zu tun, was ihnen rasches Fortkommen ermöglicht. Wenn wir auf diese Weise ihre Aufenthaltsdauer in unserem schönen Land verkürzen, vermindern wir gleichzeitig die Gefahr, dass es zu jener Art bedauerlicher Zwischenfälle kommt, die sich bei Armeen auf dem Marsch so häufig ergeben – vor allem, wenn dabei feindliches Gebiet durchquert wird. Wenn wir uns dadurch für die Charisianer in ein gutes Licht rücken und sie uns gewogen halten, bringt uns das vielleicht neue Handelsmöglichkeiten ein statt einer Besetzung.«
Parkair nippte an seinem Tee und blickte wieder zum Fenster hinaus.
»Ich wünschte, es wäre nie so weit gekommen. Ich wünschte, ich hätte niemals eine solche Entscheidung treffen müssen«, erklärte er seiner Gemahlin und seinem Sohn. »Aber Wünsche gehen eben nicht immer in Erfüllung, und das weiß der Rat genauso gut wie ich. Deswegen haben wir genau diese Entscheidung getroffen, und ich bin damit so einverstanden, wie das eben geht, Zhain. Nicht glücklich, schon gar nicht begeistert, aber einverstanden.«
Wieder schaute er auf seinen Teller mit dem halb gegessenen Omelett. Ein trauriges Lächeln huschte über sein Gesicht, und sein Blick verfinsterte sich, als er an die hungernden Kinder in der Siddarmark denken musste.
»Ja, das bin ich«, seufzte er leise. »Ich bin einverstanden.«
.VII.
Königliche Hochschule,
Königlicher Palast, Tellesberg,
und
Zitadelle
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