Ninis - Die Wiege der Baeume
doch! Dafür hätte Siria nicht so früh aufstehen brauchen.
Siria mochte große Veranstaltungen. Die Halle des Senats füllte sich bis auf den letzten Platz. König Hasis, seine Sippschaft, Serpent, Amone, Karlema und Siria saßen alle in der Halle verteilt. Weitere Offiziere, zahlreiche Seherinnen und andere Höflinge füllten die hinteren Reihen. Prinz Manoos stand auf der Tafel in der Mitte, Amun’ral direkt neben ihm. Schon vor der Verlautbarung herrschte rege Geschwätzigkeit unter den Anwesenden, denn Manoos strahlte mit seinen beiden Augen und seiner Liebe neben ihm um die Wette. Amun'ral trug die Kette, die drei Diamanten des Ordens funkelten an ihrem Hals wie kleine Sonnensterne.
„Werte Siria, wie macht er das? Hatte er nicht in einer Schlacht sein linkes Auge verloren?” Feriosi blieb das auch nicht verborgen.
„Ja, es schlummern ungeahnte Kräfte in ihm. Er konnte auch eine lange Zeit seinen linken Arm nicht bewegen. Schau ihn dir heute an, das blühende Leben.” Seine Narben hatte er anscheinend nicht hergeben wollen.
„Sie sind wirklich ein schönes Paar. Ich beneide Amun'ral und verneige mich vor ihrer Anmut. Sie wird den Renelaten helfen, sich mit der Welt zu versöhnen.”
„Ja, das sind sie …” Siria blickte konzentriert auf Amun'ral. Sie verzog die Augenbrauen, legte den Kopf auf die Seite und rieb sich ihr gesundes Auge. Was war das? Irgendetwas stimmte nicht an dem, was sie sah. Sie versuchte vergebens, dem Treiben zu folgen. Feriosi sprach mit ihr, aber sie konnte ihre Augen nicht von der weißen Königin lösen. Etwas Unbestimmtes, etwas, das nicht zu dem Bild passte, schwebte wie ein Schleier über die Szenerie.
Manoos sprach gerade über seine erste Begegnung mit Amun'ral in der Wüste. Wenn sie seine Worte hörte, schien es, obwohl sie dabei gewesen war, als berichte er über ein anderes Erlebnis. Illusion oder Realität, nur wer von ihnen hatte in der Wüste geträumt?
Eine ungewöhnliche Spannung überkam sie, als ob etwas Unbekanntes auf sie lauerte. Ein Schatten breitete sich mit gewaltigen Flügeln aus, sie konnte seinen Ursprung noch nicht erkennen. Dieser Schatten war riesig. Den Wein letzte Nacht hatte sie doch den anderen überlassen.
„Werte Siria, ist alles in Ordnung? Ihr wirkt abwesend. Manoos hat gerade über Amun'ral gesprochen. Er erwählt sie, die Diamanten für ihn zu tragen. Sie wird die Mutter seines ersten Kindes. Es ist ergreifend!” Manoos und sein erstes Kind? Siria wurde schwindelig, sie sollte sich am Riemen reißen! Sie würde jetzt keine Schwäche zeigen!
„Ich habe nur etwas Bauchweh, nicht so wild.”
Serpent beglückwünschte seinen Bruder, er sprach von Mut, Vertrauen und der ewigen Freundschaft unter Brüdern. Dem fetten Hasis gefiel das Schauspiel der Harmonie unter seinen Söhnen, er nickte und gab dem Paar mit einer Geste seinen Segen.
Ein Blitz schlug in die Tafelplatte inmitten der Senatshalle. Siria fuhr hoch. „Hast du das gesehen?”
„Was denn, werte Siria? Der König sagte, dass wir in zehn Tagen ihre Vermählung feiern werden. Es ist wirklich bewegend.”
„Der Blitz!?”
„Nein, ich habe keinen gesehen. Serpent und Manoos, schaut nur diese Eintracht unter ihnen, das hätte ich kaum für möglich gehalten. Ich freue mich, dass sich die beiden nach langem Zwist versöhnen.” Siria befand sich im Senat von Saladan. Einer großen Halle aus Stein, zusammen mit Hunderten anderer. Hier schlug kein Blitz ein. Höchstens in ihrem Oberstübchen. Sie war eine Schattenseherin, die Dunkelheit sollte sich vor ihr fürchten!
Das Knurren eines gewaltigen Tieres dröhnte in ihren Ohren, unmittelbar, als ob es gerade sein Maul öffnete, um ihr Genick zu zertrümmern. Sie drehte sich um, nichts! Nur drei jüngere Seherinnen, die mit leuchtenden Augen Prinz Manoos anhimmelten. Siria drehte durch! Es war alles nur eine Frage der Konzentration. Es gab keinen Grund, an das zu glauben, was ihr ihre wirren Sinne vorgaukelten! Sie blickte sich um, ihr Umfeld nahm sie nur noch durch einen Filter wahr. Amone saß vier Plätze weiter neben ihr.
Sie hörte die Stimme von Amun'ral, die über Manoos sprach und dem König für seine Güte dankte. Mal schrill, dann kratzig und dann wieder ganz dunkel – die Stimme veränderte laufend ihre Tonlage.
Siria stand auf und schwankte an der Sitzreihe entlang. Die Stimmen, das Gejubel, der Beifall, sie hörte alles wie aus einer anderen Welt. Feriosi lief ihr nach und versuchte mit ihr zu sprechen,
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